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Dienstag, 14. Februar 2012

Seegfrörni — amtl. bew.

Heute konnten sich die Luzerner Behörden doch noch dazu durchringen, den Rotsee freizugeben. Seit 26 Jahren zum ersten Mal ist also die Seegfrörni amtlich bewilligt und das Betreten auf eigene Gefahr erlaubt. Das konnten wir uns natürlich nicht entgehen lassen. Hier einige Impressionen:


Das Eis ist abgesehen von einigen Luftblasen ganz durchsichtig.


Der Kulturflaneur als Eisclown.


Das obligate Panorama — diesmal von der Seemitte, deshalb 360 Grad. Zum Vergrössern aufs Bild klicken!


Luftblasen als natürliche Kunstwerke.


Frau Frogg, die Eisprinzessin.


Der Amtsschimmel kann das Wiehern nicht lassen: Der untere Teil des Rotsees bleibt gesperrt, als ob da das Eis weniger dick wäre...


Jetzt ist es also offiziell erlaubt — allerdings auf eigene Gefahr.


Der Miniwasserfall bei einem seitlichen Zufluss.


Auf einem zugefroren See kann man nicht nur spazieren, sondern auch Eishockey spielen...


...Liebeserklärungen machen...


...und velofahren. Hat der Typ Räder mit Spikes?


Der hier hatte definitiv keine Spikes.


Bei einer solchen Attraktion ist der Andrang gross und...


...an einem gewöhnlichen Wochentag der Parkplatz voll.

Samstag, 11. Februar 2012

Göttersee — steif und starr

Trotz Eiseskälte und steifer Bise haben wir unseren Sonntagsspaziergang rund um den Rotsee heute schon absolviert. Und obwohl es arschkalt war, musste ich meine neue Digitalkamera ausprobieren. Hier einige Impressionen vom steif und starr gefrorenen Göttersee.

Zum Vergrössern auf die Karte klicken! Quelle der Karte: map.geo.admin.ch

1 Der Rotsee ist zugefroren

Im Herbst habe ich schon einmal über einen Spaziergang am Göttersee geschrieben — die damaligen Bilder zeigen einen goldenen Herbst und strahlen eine gewisse Wärme aus, was man von den heutigen Bildern ganz und gar nicht behaupten kann:


Erste Eindrücke vom zugefrorenen Rotsee

2 Schilf und Schnellpanorama

Shanshui-Schilf beim Ruderzentrum

Meine neue Kamera — eine Nikon Coolpix S9100, die mir Frau Frogg & Familie zu Weihnachten geschenkt haben — hat eine coole Funktion, die genau für mich konzipiert ist: das Schnellpanorama. Funktion wählen, Auslöser drücken, 180 bzw. 360 Grad schwenken und schon ist das Panorama im Kasten. Kein mühsames Zusammensetzen von einzelnen Bildern zu einem Panoramastreifen mehr. Hier ein erstes Schnellpanorama:

Beim Ruderzentrum Rotsee am 11. Februar 2012 — zum Vergrössern aufs Bild klicken!

3 Betreten verboten!



Noch verbieten überall Tafeln das Betreten der Eisfläche. Mit der Bereitstellung von Rettungsgeräten bereitet sich die Stadt Luzern darauf vor, den zugefrorenen Rotsee freizugeben — noch sei die Eisschicht auf dem Rotsee zwei Zentimeter zu wenig dick, hiess es in den hiesigen Medien. Doch was sieht mein Coolpix-Zoomauge? Einen Mann, der seelenruhig in der Mitte des Sees den Rotsee rauf- und wieder runtergeht — nicht quer, sondern längs wohlgemerkt. Und ich frage mich: Wartet Luzern nicht ein bisschen zu lang, bis sie ihrer Bevölkerung das Vergnügen gönnt, den Rotsee kreuz und quer zu überqueren?

4 Ein Nadelöhr im Bahnnetz

Der Blick von der Rotseebadi auf die Bahnlinie am gegenüberliegenden Ufer — zum Vergrössern aufs Bild klicken!

Die Bahnlinie, die dem Rotsee entlangführt, ist nur einspurig und deshalb ein Nadelöhr im Bahnnetz der Region. Auf dieser Einspurstrecke verkehren stündlich vier Schnellzüge von und nach Zug und Zürich, zwei Schnellzüge von und ins Tessin sowie vier S-Bahn-Kompositionen. Mehr liegt auf dieser SBB-Strecke, die zu den best ausgelasteten Strecken des schweizerischen Bahnnetzes gehört, nicht drin — die Zitrone ist ausgepresst. Abhilfe verspricht ein milliardenteures Tiefbahnhofprojekt, das dieses Nadelöhr am Rotsee umfährt. Bis zu dessen Realisierung wird aber noch viel Wasser die Reuss runterfliessen.

5 Blick aufs Rontal

Der Blick auf Rontal — zum Vergrössern aufs Bild klicken!

Das dritte Schnellpanorama zeigt von links nach rechts: Luzerns Agglomeration im Rontal (v.a. Ebikon), die Bahnlinie Rotkreuz - Luzern im Vordergrund und in der rechten Bildhälfte den zugefrorenen Rotsee. Ganz rechts wäre der Pilatus zu sehen, wenn er nicht vom Nebel-Gewölk verdeckt würde.

6 Winterstarre



Diesen Baum hat nicht nur die Winterstarre fest im Griff, sondern auch das Efeu, ohne dessen Dunkelgrün das Foto gut und gern als Schwarzweissbild durchginge.

7 Nur der Bach fliesst noch



Dass der obere Zufluss des Rotsees noch nicht zugefroren ist, erstaunt mich, ist doch im sehr kleinen Einzugsgebiet dieses Bächleins alles Stein und Bein gefroren.

Freitag, 10. Februar 2012

Crowdfunding — jetzt auch in der Schweiz

Was andernorts schon länger erfolgreich praktiziert wird, ist jetzt auch in der Schweiz angekommen: das kulturelle Crowdfunding. Gleich auf zwei neuen Plattformen kann man Projekte präsentieren und dafür finanzielle Unterstützung suchen. Die Idee: Statt ein Sponsor mit einem grossen Beitrag unterstützen viele Supporter ein Projekt mit kleineren Beiträgen und helfen mit, das Projekt zu realisieren — ganz nach dem Motto: Auch Kleinvieh macht Mist.


Screenshot der Startseite von wemakeit.ch

Kickstarter, das US-amerikanische Vorbild aller Crowdfunding-Seiten, verkauft sich als "a new way to fund & follow creativity". Es ist kein Zufall, dass diese neue Finanzierungsmethode aus den USA kommt, wird doch Kulturförderung im Land der unbegrenzten Möglichkeiten nicht als Staatsaufgabe betrachtet, sondern als Wirkungsfeld von privatem Mäzenatentum und von Sponsoring. Seit 2010 ist www.startnext.de aktiv. Seither hat Deutschlands Crowdfunding Community Nummer eins mit Ableger in Österreich 400'000 Euro zusammengebracht und 120 Projekten auf die Beine geholfen.

Und so funktioniert Crowdfunding oder Schwarmfinanzierung:
  1. Kulturschaffende, die für ihr Projekt Geld suchen, erarbeiten ein Projektdossier und Werbematerial, das ihr feu sacré für ihr Projekt, ihre Idee möglichst gut zum Ausdruck bringt. Damit stellen sie einen Antrag, auf einer Crowdfunding-Plattform aufgenommen zu werden.
  2. Ist diese erste Hürde geschafft, beginnt bei manchen Plattformen eine Startphase, in der das Projekt präsentiert und optimiert wird. Ziel dieser Phase ist es, möglichst viele Leute für das Projekt / die Idee zu interessieren, dass die Finanzierungskampagne Erfolg verspricht . Bei www.startnext.de z.B. braucht es je nach Finanzierungsziel eine minimale Anzahl Fans, bevor die eigentliche Finanzierung startet.
  3. Startet die Kampagne, heisst es alles oder nichts: In einer vorher festgelegten Frist müssen so viele Unterstützungszusagen zusammenkommen, dass das Finanzierungsziel erreicht wird. Falls die nötigen Zusagen nicht zusammenkommen, geht das Geld an die UnterstützerInnen zurück. Bei startnext.de liegt die Erfolgsquote bei etwa 40%.
  4. Nach einer erfolgreichen Finanzierung geht das gesammelte Geld an die ProjektinitiantInnen, die sich mit Dankeschöns und Goodies bei ihren UnterstützerInnen bedanken und mit der Realisierung des Projekts beginnen können.
Über ein Dutzend Projekte ins Netz gestellt hat die von der Ernst Göhner Stiftung, dem Migros Kulturprozent und der Pro Helvetia initiierte Plattform wemakeit.ch — ein Projekt konnte so bereits finanziert werden. Ebenfalls in den Startlöchern ist die Plattform 100-days.net von Ron Orp. Ab dem 16.2. werden da erste Projekte aufgeschaltet. Ab jetzt können also auch in der Schweiz die privaten KulturförderInnen ihre Lieblingsprojekte unterstützen und auch mit wenig Geld zu ihrer Realisierung beitragen.

Dienstag, 7. Februar 2012

Lesung im Hallenstadion

Im Dickens-Jahr wird der Erfinder des modernen Literaturbetriebs gefeiert wie noch nie — doch erst gestern wurde mir klar, was für ein Star Charles Dickens (1812 - 1870) schon zu seiner Zeit war.

Ein hörenswerter Beitrag Der Star aus der Gosse im Echo der Zeit zeigte mir, dass Dickens den modernen Literaturbetrieb erfunden hat: Er machte den vulgären Fortsetzungsroman salonfähig. Schon sein Frühwerk wurde mit Fanartikeln hemmungslos vermarktet. "In seinem letzten Lebensjahrzehnt erfindet Dickens die öffentliche Lesung. Er liest für ein zahlendes Publikum aus seinen Werken und bringt Säle mit 2 - 4000 Plätzen zum Kochen. Hysterische Anfälle und Ohnmachten ereignen sich serienweise. 'Welch ein Gefühl, Macht zu haben!' jubelt Dickens."

Fürwahr: Dickens war der erste Popstar in der Literatur und würde heute im Zürcher Hallenstadion auftreten.

Sonntag, 5. Februar 2012

Swissness? Spielerische Swissness!

Noch an der Weltausstellung 1992 in Sevilla waren wir sicher, dass es uns gar nicht gibt. Zehn Jahre später behaupten wir das Gegenteil und zelebrieren die Swissness wie noch nie, so dass man Gefahr läuft erschweizert zu werden. Doch manchmal trifft man auch auf einen intelligenten, spielerischen und witzigen Umgang mit Swissness.


An der Weltausstellung 1992 behauptete der Künstler Ben Vautier keck, dass die Schweiz nicht existiert (Bildquelle: Blog von Christoph Roos, der sich ebenfalls über Swissness Gedanken macht) — heutzutage sind im Sommer häufig solche Schweizerkreuz-T-Shirts auszumachen, die mit offensichtlichem Stolz getragen werden (Bildquelle: www.switzerland.org).

Mir ist solch offensichtlich zur Schau getragener Nationalstolz suspekt, aber interessant ist, dass sich in den letzten zehn, zwölf Jahren zahlreiche Kulturprojekte auf innovative Weise mit der Schweiz, ihrem Selbstverständnis und den helvetischen Wurzeln auseinandersetzten:
  • In der Volksmusik z.B. gibt es neben den ganz traditionellen Musikgruppen und Jodelchören schon länger eine Strömung, die die musikalischen Wurzeln neu interpretiert und mit zeitgenössischer Musik kombiniert: Etwa das Trio Doppelbock mit Christine Lauterburg, das lebendigen urbanen Schweizer Folk spielt und am 24.2. im Kreuz Solothurn auftritt, oder Eliana Burki, die mit ihrer Band iAlpinisti zeigt, dass dem Alphorn auch jazzige und funkige Töne zu entlocken sind.
  • Unter den Schweizer Filmen, die an den soeben zu Ende gegangenen 47. Solothurner Filmtagen präsentiert wurden, hat DRS-Filmredaktor Michael Sennhauser einige Filme gesehen, die durchaus als innovative Heimatfilme durchgehen. Aus der Sparte Dokumentarfilm, einer Stärke des hiesigen Filmschaffens, hat er zwei Film herausgehoben, die sich kritisch mit der Rolle der Schweiz im Globalisierungsprozess auseinandersetzen: Vol spécial und Bottled Life.
  • Dass sich die helvetische Literaturszene ständig mit der Schweiz auseinandersetzt, liegt in der Natur der Sache: Wir sind innerhalb einer Sprache zweisprachig (vgl. Referat von Hugo Loetscher: Unser klassisches Deutsch). Wie fruchtbar diese Auseinandersetzung in den letzten Jahren war, bleibe dahingestellt. Festzustellen ist jedenfalls, dass wieder mehr AutorInnen in Mundart schreiben: Ernst Burren, Pedro Lenz, Guy Krneta, Sandra Künzi, Beat Sterchi und Gisela Widmer.
  • Auch im Theaterbereich gibt es immer wieder Stücke, die sich mit Swissness auseinandersetzen: z.B. die Gotthelfadaption Anne Bäbi im Säli von Beat Sterchi oder das Stück Eidgenössisch Moos von Ruedi Häusermann, Herwig Ursin, Jan Ratschko — einen guten Eindruck vermittelt dieses Video:


Ausschnitte aus Eidgenössisch Moos, hochgeladen von Ochsenklar.

Der Clip zeigt, wie viel Spielfreude das Schauspieler/Musiker-Trio an den Tag legt, um fürs Publikum Augen- und Ohrenwitz zu produzieren. Das Stück ist eine furiose Szenencollage: Die Vorbereitungen für den alljährlichen Unterhaltungsabend bilden die Rahmengeschichte — Proben, Sitzungen des OKs und das Hin und Her um die musikalische Unterhaltung werden unterbrochen von zahlreichen, ebenso liebevoll gezeichneten Nebengeschichten: einem Diavortrag über Kasi Geisser (eine Grösse der Schweizer Volksmusik), kulinarischen Kurztexten von Robert Walser, einem Mundartsprachkurs ab Kassettenrekorder, alten Traditionen — neu entdeckt (einer Präsentation von "erfundenen" Bräuchen) etc. etc. — unmöglich, den Überblick zu behalten, aber dennoch gibt es zahlreiche Querverbindungen zwischen den einzelnen Erzählsträngen. Das Resultat: Ein vergnüglicher "Heimatabend" voll Spielfreude und verschrobenem Humor. Und: Nach dem Hin und Her in der Aufführung sorgte das Trio Eidg. Moos nach der Aufführung tatsächlich für musikalische Unterhaltung — mit einer Stubete in der Bar. So spielerisch präsentiert, sind sogar Ländlermusik und die neue Swissness erträglich.

Klar ist jedoch: Die neue Swissness ist eine Gratwanderung. Der Grat zwischen Folklorisierung und unreflektierter Heimattümelei auf der einen Seite und der Vermarktung der Schweiz in einer globalisierten Welt auf der anderen Seite ist extrem schmal. Die neue Swissness stösst nicht überall auf Begeisterung — in einem lesenswerten Essay fordert der Autor Martin R. Dean in der WoZ Ein Bild der Schweiz, das alle einschliesst.

PS. Frage nach Deutschland und Österreich: Gibt es eigentlich auch eine neue "germanness" oder "austrianess"?

Donnerstag, 2. Februar 2012

Eingeschneit

Wenn's so schneit und so kalt ist wie jetzt, dann bleibt der Schnee auf unseren grossflächigen Dachfenstern liegen. Anstelle der Aussicht aufs verschneite Mittelland tritt ein weisser Schneedeckel — und man hat das Gefühl, man sei in einer exotischen Schneehöhle.

Sonntag, 22. Januar 2012

Die SVP macht aus dem Staat Gurkensalat

"Macht aus diesem Staat Gurkensalat!" skandierten wir an den grossen Demos der 80er Bewegung in Zürich. Heute macht sich ausgerechnet die SVP daran, diese dadaistisch-anarchistische Parole umzusetzen: Sie schwächt den Staat, wo sie kann, und stärkt damit den globalen Wettbewerb, denn der Staat ist eine der wenigen Institutionen, die dem Race-to-the-bottom etwas entgegen setzen könnte. Im Steuerwettbewerb der Kantone und der Gemeinden ist der Staat längst selber zu einem Akteur in diesem üblen Abbau-Rennen geworden.

Bildquelle: www.liberaler.ch

Mit ihrem Referendum gegen das Budget 2012, das vom Grossen Stadtrat mit 35 Ja gegen 7 Nein von der SVP verabschiedet wurde, nimmt die SVP die Stadt Luzern und ihre Bevölkerung in Geiselhaft: Durch das Referendum sind nicht nur die Lohnerhöhungen für das städtische Personal, diverse Investitionen und Sanierungsmassnahmen blockiert, sondern auch die Beiträge an die städtischen Partnerorganisationen in den Bereichen Kultur, Sport und Sozialwesen sowie an die Quartiervereine.

Falls das Referendum bis Aschermittwoch zustande kommt, hat die Stadt Luzern frühestens im Mai ein gültiges Budget. Bis dahin können regelmässig ausbezahlte Beiträge in der Höhe von rund 2.5 Millionen Franken nicht ausbezahlt werden. Für städtische Partner, die nicht mit einem grossen finanziellen Polster ausgestattet sind und mit diesen Beiträgen gerechnet haben, kann auch das vorläufige Ausbleiben der städtischen Subventionen den Ruin bedeuten. Mit diesem Budget-Referendum wird Stadt zu einem unzuverlässigen Partner.

Bei den Beiträgen trifft es einmal mehr vor allem die Kultur: 37 kulturelle Institutionen, deren Beiträge von mehr als 2 Millionen Franken von der Stadt nicht vertraglich gesichert sind, bekommen bis im Sommer kein Geld. Die Konsequenz aus dieser Übung wird sein, dass mehr Beiträge vertraglich gesichert werden, so dass sie durch solche fahrlässigen Referenden, die das Vertrauen in die Stadt als zuverlässige Partnerin nachhaltig erschüttern, nicht mehr betroffen sind.

Schlimmstenfalls wird das Referendum angenommen und der Grosse Stadtrat muss ein neues Budget erarbeiten. Das kann bis in den Herbst hinein dauern. Die Stadt Luzern hat mehr als ein halbes Jahr lang kein gültiges Budget und kann nur diejenigen Ausgaben tätigen, zu denen sie vertraglich verpflichtet ist. Was natürlich ganz im Sinn derjenigen ist, die den Staat am liebsten abschaffen würden.

Was kann man gegen dieses Budget-Querulantentum machen? Erstens auf keinen Fall das SVP-Referendum unterschreiben, zweitens mit einer Kampagne darauf hin arbeiten, dass das Referendum nicht zustande kommt, drittens – falls es doch zu einer Abstimmung über das Budget 2012 kommt – der SVP mit einer so massiven Zustimmung zum fraglichen Budget eine Klatsche verpassen, so dass sie nicht so schnell wieder auf eine solche Schnapsidee kommt. Ganz nach dem Motto: Wir lassen uns unsere Stadt nicht von den SVP-Querulanten kaputtmachen.

Samstag, 21. Januar 2012

Stop the race to the bottom

Als ich vorletzten Sommer vor der INURA-Konferenz in Zürich die englische Übersetzung für Steuerwettbewerb suchte, bin ich auf den Begriff race to the bottom gestossen — keine exakte Übersetzung, aber dafür ein um so schöneres Bild für die Konkurrenz zwischen Wirtschaftsblöcken, Nationalstaaten und Regionen um neue Firmen und gute Steuerzahler.

Dieser globale Wettbewerb hat fatale Folgen: Um wettbewerbsfähig zu bleiben, werden Arbeits-, Sozial- und Umwelt-Standards reduziert oder gar gänzlich abschafft, was in einem globalisierten Wettbewerb fast automatisch zu einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen, zu einem Abbau des Sozialstaats und zur Belastung der Umwelt führt. Ein schlanker Staat mit möglichst wenig Vorschriften, einer tiefen Staatsquote und einer geringen Steuerbelastung, sei das Ziel, sagen uns diese neoliberalen Wettbewerbsfetischisten.


Zum Vergrössern auf die Grafik klicken! Die Grafik vergleicht die Steuerbelastungen von besser situierten Familien und mittelständischen Unternehmen in den sechs Kantonshauptorten der Zentralschweiz. Ocker: Die Auswirkungen der vom Kanton Luzern für 2011 geplanten Steuersenkungen. Quelle: Finanz & Wirtschaft Kanton Luzern, 2. Dezember 2008 (PDF).

Auch in der Zentralschweiz hat das Race-to-the-bottom fatale Folgen: Die Kantone versuchen sich im Steuerwettbewerb um tiefere Steuern zu übertreffen. Um Steuersenkungen zu ermöglichen folgt ein Sparpaket auf das andere. Der Kanton Luzern ist jetzt auf den Boden der Realität geknallt: Er wird zwar 2012 die schweizweit tiefsten Steuersätze für Unternehmen haben, die Regierung hat aber bei der Budgetierung 2012 gemerkt, dass es nicht mehr reicht, und wollte deshalb die Steuern von 1.5 auf 1.6 Einheiten anheben (was einer Steuererhöhung um 6.7% entspricht). Am 12. Dezember hat der Kantonsrat das Budget mit 63 zu 42 Stimmen zurückgewiesen, mit der Folge, dass der Kanton noch kein gültiges Budget hat und nur Ausgaben tätigen kann, zu denen er vertraglich verpflichtet ist. Der Regierung muss den Rotstift zücken und dafür sorgen, dass die Steuererhöhung nur noch halb so hoch ausfällt. Die NLZ titelte: Regierungsrat erleidet mit Budget Schiffbruch.

Auch die Stadt Luzern startet ohne gültiges Budget ins neue Jahr. Der grosse Stadtrat hat zwar dem Voranschlag für 2012 mit 35 zu 7 Stimmen zugestimmt, aber die SVP hat dagegen das Referendum ergriffen, weil mit diesem Defizit-Budget 2013 eine Steuererhöhung praktisch unausweichlich sei. Damit hat auch die Stadt kein rechtskräftiges Budget — mit den selben unangenehmen Folgen wie beim Kanton.

Ich meine: Niemand zahlt gerne Steuern und Steuererhöhungen sind unerfreulich — ganz besonders, wenn sie die Folge von Steuersenkungen für Unternehmen sind, aber wenn mit einem solchen Race-to-the-bottom Stadt und Kanton Luzern kaputtgespart werden, dann ist es höchste Zeit, die Abwärtsspirale zu stoppen und dem Schlankheitswahn beim Staat Einhalt zu gebieten.