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Montag, 28. Oktober 2013

Reise in die Südschweiz 2

Die zweite Etappe unserer Reise in die Südschweiz führte vom einen Büdner Südtal über zwei Pässe ins andere: Von Miralago im Puschlav fuhren wir mit der RhB über die Bernina zurück nach St. Moritz im Engadin und mit dem Postauto weiter über den Maloja nach Soglio im Bergell — ein schönes Reisli vom Nebel in den Nebel.


Zum Vergrössern aufs Karte klicken! Unsere Reiseroute: Rot hervorgehoben sind die Bahnstrecken unserer Route, gelb die Abschnitte, die wir mit dem Postauto zurückgelegt haben. Die Etappenziele: 1 Miralago (im Puschlav), 2 Soglio (im Bergell), 3 Lugano und 4 Luzern


Zu Beginn der 2. Etappe lag dichter Nebel über dem See, der ...


... sich doch schon kurz vor Poschiavo lichtete.


Blick zurück auf das nebelnasse Poschiavo


Während der Lagh da Palü dem Stromproduzent Repower als Tagesspeicher dient, spielt er im neuen Pumpspeicherprojekt nur noch eine untergeordnete Rolle.


Eine Hauptrolle in den Pumpspeicherplänen spielt hingegen der Lago Bianco auf der Bernina — jahrelang Zankapfel zwischen Energiewirtschaft und Umweltverbänden.


Ein Exkurs zu Pumpspeicherkraftwerken

Im ursprünglichen Projekt wäre der Seespiegel des Lago Bianco um 17 Meter erhöht worden. Dieses umweltzerstörerische Projekt wurde von WWF und Pro Natura erfolgreich bekämpft. Anfang 2009 sistierte das Bundesgericht die Beschwerde der beiden Organisationen zu Gunsten von Verhandlungen. Herausgekommen ist dabei ein umweltfreundlicheres Projekt, zu dem auch der WWF Ja sagen kann: Der Lago Bianco wird nur um 4 Meter höher gestaut, der Talfluss Poschiavino wird vom Schwallbetrieb befreit und mit grösseren Restwassermengen dotiert und schliesslich werden die Gewässer im ganzen Puschlav gemäss eines neuen Gewässerentwicklungskonzepts revitalisiert und renaturiert.

Eine Win-Win-Situation sollte man meinen, ist doch auch Repower mit dem neu geplanten Pumpspeicherkraftwerk, das mit 1000 MW noch mehr Spitzenstrom produzieren wird als im alten Projekt, gut bedient. Doch das Lago Bianco-Projekt ist und bleibt ein Pumpspeicherkraftwerk, das billige Bandenergie zu Spitzenstrom veredelt: Nachts wird mit überschüssiger und deshalb billiger Bandenergie Wasser vom Lago di Poschiavo in den Lago Bianco hinaufgepumpt, das dann zur Mittagszeit, wenn der Bedarf am grössten ist und der Strom am teuersten verkauft werden kann, wieder turbiniert wird. Unter dem Strich wird so weniger Elektrizität produziert, denn für eine Kilowattstunde Pumpspeicherstrom braucht es 1.3 Kilowattstunden Pumpenergie, aber die Strommenge entspricht immerhin der Leistung des AKWs Gösgen.


Das Promovideo von Repower auf Youtube erklärt das neue Pumpspeicherprojekt und den mit den Umweltverbänden ausgehandelten Deal in allen Details und zeigt das Puschlav, den Lago di Poschiavo, den Lago Bianco und die Bernina bei schönstem Wetter.

Für Repower, die an Windparks in Deutschland, Italien und Rumänien beteiligt ist, macht es durchaus Sinn, die unregelmässig anfallende Windenergie auf der Bernina zu speichern. Die Bündner Bevölkerung hingegen hat am 22. September 2013 mit 56% Ja zur Initiative "Ja zu sauberem Strom ohne Kohlekraft" und in der Stichfrage mit einem hauchdünnen Mehr von 137 Stimmen (gemäss Nachzählung) dafür gesorgt, dass Repower nicht mehr in dreckige Energieproduktion investieren darf und aus dem Kohlekraftwerksprojekt Saline Joniche in Kalabrien aussteigen muss (vgl. Der Bund vom 22.9.2013).

Ob es sinnvoll ist, die Alpen in die "Batterie Europas" zu verwandeln, ist überhaupt nicht sicher. In einem Factsheet zur Pumpspeicherung hält die Schweizerische Energie-Stiftung fest,
  • dass die 8 in der Schweiz geplanten Pumpspeicherkraftwerke allein fürs Pumpen Strom von drei AKW Mühleberg brauchen würden und dafür zusätzliche Hochspannungsleitungen gebaut werden müssten,
  • dass der "weiss zu waschende Überschussstrom" auch in Zukunft überwiegend aus Atom- und Kohlekraftwerken kommen wird,
  • dass weder die Versorgungssicherheit, noch der europäische Windboom und auch nicht der Ausbau der erneuerbaren Energien im Inland den massiven Ausbau der Pumpspeicherkapazitäten rechtfertigen und
  • dass die heute noch lukrative Pumpspeicherung wahrscheinlich schon bald nicht mehr rentiert, weil sich die Preisdifferenz zwischen billigem Nachtstrom und Tagesspitzen verringern wird.

Von der Bernina ins Bergell


Vom Ospizio Bernina (2'253 m ü. M.) geht es weiter ...


... vorbei am Morteratschgletscher nach St. Moritz.


Von St. Moritz fahren wir mit dem Postauto den Oberengadiner Seen entlang.


Vom Maloja (1815 m.ü.M.) geht es in vielen Kehren runter ins nebelverhangene Bergell.


In Promontogno, wo wir aufs Postauto nach Soglio umsteigen mussten, hatte das Arte Hotel Bregaglia schon wieder zu — dieses Kunstprojekt, das diesen Sommer bereits zum 4. Mal stattfand, hätte mich interessiert...


Fortsetzung folgt!

Donnerstag, 24. Oktober 2013

Puschlaver Herbstwanderung

Am ersten Etappenziel unserer Reise in die Südschweiz logierten wir im Albergo Ristorante Grotto Miralago am südlichen Ende des Lago di Poschiavo. Das Wetter war besser als erwartet und lud ein zu einer Herbstwanderung mit einem etwas morbiden Ende.


1 Miralago — Schau den See



Unser Zimmer bot einen wunderschönen Ausblick auf die leider wolkenverhüllte Berninagruppe und den Puschlaver See, der allerdings den für Stauseen typischen hässlichen Rand aufwies, weil der Seespiegel wegen Wartungsarbeiten an den Turbinen des Kraftwerks Campocologno 1 um 7 Meter abgesenkt worden war. An sich ist der Lago di Poschiavo ein natürlicher See, doch ein Achtel seines Wasservolumens kann für die Stromerzeugung genutzt werden. Gemäss Wikipedia nennt sich sowas Naturstausee.

Unsere Herbstwanderung führte uns nach Poschiavo:

Zum Vergrössern auf die Karte klicken! Zwischen See und Poschiavo war führte unsere Route über asphaltierte Strässchen — mit besserem Kartenmaterial hätten wir sicher eine fussgängerfreundlichere Variante (z.B. entlang des Flusses) gewählt. Charakter: Leichte Talwanderung. Dauer: knapp 3 Stunden. Quelle der Basiskarte: map.geo.admin.ch


2 Lago di Poschiavo — idyllische Ostseite

Während der die Westseite des Sees durch die Talstrasse und die Berninabahn beeinträchtigt ist, führte der Wanderweg auf der Ostseite durch ein herbstliches Idyll, das erst am oberen Ende des Sees durch ein Kieswerk gestört wurde.










3 Canton — Jäger und Kürbiszüchter

Canton ist nicht nur der Name Dutzender Orte in den USA und die alte Bezeichnung der südchinesischen Megalopole Guangzhou — die Boom-Region im Hinterland von Hongkong umfasst etwa 10 Millionen Menschen und wird gern "Fabrik der Welt" genannt. Nur etwa etwa 1 Millionstel so viel Einwohner hat der kleine Weiler Canton im Puschlav. Schaut man sich in Canton um, muss man annehmen, dass die Leute von Canton Jäger und Kürbiszüchter sind:






4 Prada — nur von Weitem

Obwohl wir keine Angst hatten, Prada könnte teuer werden, liessen wir den Weiler rechts liegen. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass auch die anderen beiden Prada, die es im Bündnerland gibt, nichts mit dem luxuriösen Mailänder Schuh- und Täschlilabel zu tun haben.




5 Königskerzen, Piode und der Stern von Betlehem

Unterwegs gab es einiges zu sehen: wunderschöne Königskerzen in einem Garten, ein Lager mit Steindachplatten (piode da tetto) und den Stern von Betlehem:








6 Poschiavo — Paläste, Pizzoccheri und das Ossario

In Poschiavo gingen wir zuerst der Via di Palaz entlang. Hier im Spaniolenviertel haben im 19. Jahrhundert ausgewanderte Puschlaver, die im Ausland als Zuckerbäcker reich wurden, einen ganzen Strassenzug mit herrschaftlichen Villen gebaut — eine irgendwie faszinierende Geschichte...


Poschiavo, Via di Palaz (Foto: Adrian Michael commons.wikimedia.org

Trotz Palästen ist das Puschlav wegen seiner peripheren Lage nach wie vor keine reiche Gegend:



Zum Zmittag gab's für mich Puschlaver Pizzoccheri, eine leckere lokale Spezialität mit Teigwaren aus Buchweizen:



Poschiavo ist der Hauptort der Talschaft Valposchiavo. Die Plazza da Cumün ist der sehr sehenswerte zentrale Platz im städtisch anmutenden Borgo von Poschiavo. Links auf dem Bild das Hotel Albrici, das zu den Swiss Historic Hotels gehört. Fast hätten wir hier übernachtet, die Pizzoccheri jedenfalls sind empfehlenswert.



Unsere Rundgang durch Poschiavo endete etwas morbid — mit der Besichtigung des Ossario (Beinhaus) von St. Anna. Ja, sterben müssen wir alle...



Fazit: Eine vielseitige, interessante und schöne Talwanderung. Auf unserer Route leider etwas viel Asphalt, was sich aber mit einer anderen Routenwahl reduzieren lässt.

Montag, 14. Oktober 2013

Reise in die Südschweiz 1

Vor einer Woche haben wir uns aufgemacht zu einer Reise in die Südschweiz. In vier Etappen sind wir zuerst ins Puschlav, dann ins Bergell, weiter ins Tessin und schliesslich zurück nach Luzern gefahren. Mit SBB, Rhätischer Bahn und Postauto waren wir unterwegs in die entferntesten Ecken der Schweiz — eine Bilderreise.

Etappe 1: Luzern - Thalwil - Chur - St. Moritz - Miralago (Puschlav)


Unterwegs in der Aggloschweiz: Umsteigen in Thalwil


Wechsel auf Schmalspur in Chur — im Speisewagen der RhB fahren wir über den ersten Teil der Weltkulturerbe-Strecke, die Albulalinie, nach St. Moritz


Der Zusammenfluss von Vorder- und Hinterrhein in Reichenau


Das Interieur des fast schon historischen Speisewagens — auf dem Tisch die Reisekarte von Graubünden, 1944 herausgegeben von der Rhätischen Bahn


Das Wahrzeichen der UNESCO-Strecke — der Landwasserviadukt bei Filisur — einmal auf dem Cover der Reisekarte, einmal aus dem Zugfenster


Im Oberengadin zwischen Samedan und Celerina


Zum Vergrössern aufs Bild klicken! Umsteigen in St. Moritz von der Albulalinie auf die Berninalinie: Das Panorama von der Fussgängerbrücke südlich des Bahnhofs zeigt (v.l.n.r.) im Süden den Ausfluss des Lej da S. Murezzan, dahinter öffnet sich das Tal Richtung Bernina, im Westen hinter dem See die Häuser von St. Moritz Bad, dahinter die Bergeller Berge, im Norden den Sackbahnhof und einige der berühmten St. Moritzer Hotelkästen (Badrutt's Palace ist verdeckt), im Osten führen Strasse und Inn das Engadin hinab nach Celerina, Samedan, Zernez etc.. Die rote Brücke der RhB ist der Beginn der Berninalinie nach Pontesina, Poschiavo und Tirano.


Vom Engadin steigt der zweite Teil der UNESCO-Welterbestrecke meist gemächlich gegen den Bernina-Pass an


Bernina Ospizio (2253 m.ü.M.) — Blick vom höchsten Punkt der Berninalinie über den Lago Bianco auf den Cambrena-Gletscher


Nebel steigt vom Val Poschiavo hoch


Auf der Alp Grüm kreuzen sich die Züge


Ein Ausblick wie aus dem Flugzeug: das Puschlav unter der Nebeldecke


Nach vielen Kehren erreichen wir bei Poschiavo den Talgrund


Am Lago di Poschiavo ist das Ziel der ersten Etappe in Sichtweite: Miralago am unteren Ende des Sees

Fortsetzung folgt!


Zum Vergrössern aufs Karte klicken! Unsere Reiseroute: Rot hervorgehoben sind die Bahnstrecken unserer Route, gelb die Abschnitte, die wir mit dem Postauto zurückgelegt haben. Die Etappenziele: 1 Miralago (im Puschlav), 2 Soglio (im Bergell), 3 Lugano und 4 Luzern

Donnerstag, 3. Oktober 2013

Was ist ein guter Bahnhofplatz?

Diese Frage stelle ich mir, seit ich in Aarau einen Schnappschuss der aufgeblasenen Wolke gemacht habe, die den Bushof auf dem Bahnhofplatz überdacht. Eine Antwort liefert die Architektur-Zeitschrift Hochparterre, die im Artikel Die Zerdächerung anhand von 15 Beispielen die Dachmonster anprangert, die Schweizer Bahnhofplätze befallen, und angesichts der neuen Seuche fordert: "Rettet die Bahnhofplätze!"

Die Wolke über dem Aarauer Bahnhofplatz, aufgenommen aus dem wartenden Postauto

Auch wenn ich zugeben muss, dass diese leichte Konstruktion tatsächlich — wie Hochparterre moniert — den Platz verschleiert, hat mir die Aarauer Stadtwolke doch gefallen. Auch die Ironie, dass ausgerechnet eine Wolke vor dem Regen schützt, gefällt mir. Aber das Argument, Perfektionismus, Geldüberfluss und Gestaltungswut würden zu überperfekten, teuren und aufgeregt-lustigen Dachmonstern führen, kann ich nachvollziehen: Wie die Hochparterre-Bildergalerie zeigt, sind Bushof-Überdachungen nicht nur in der Schweiz häufig übergestaltet und keine architektonischen Meisterleistungen — weniger wäre bisweilen mehr.


Was muss ein Bahnhofplatz?

Zumindest in Schweizer Städten ist der Bahnhofplatz meist der zentralste Platz, der früher viele öffentliche Funktionen hatte: Er musste den Bahnhof ins städtische Strassennetz einbinden, er war ein Umschlagsplatz für Personen und Waren, er diente als zentraler Treffpunkt und als Versammlungsort für politische Kundgebungen und hatte oft auch eine repräsentative Funktion.


Der Bahnhofplatz Zürich war um 1894 noch ein schöner Platz, der Raum bot für vieles, ein grosser Möglichkeitsraum. Bildquelle: Zentralbibliothek

Heute ist der Bahnhofplatz Zürich nur noch eine Verkehrsmaschine, der sich alles unterordnen muss — nicht einmal das Denkmal für den Eisenbahnkönig Alfred Escher steht noch am ursprünglichen Ort. Bildquelle: Eichenberger AG

Wie das Zürcher Beispiel zeigt, muss ein Bahnhofplatz heutzutage nur noch eines: die Bahn als überregionales und regionales Verkehrsmittel möglichst optimal mit dem regionalen und lokalen Verkehrssystem verknüpfen. Wie der Platz aussieht, ist zweitrangig — Hauptsache, die PendlerInnen können möglichst rasch und bequem vom Zug auf Tram und Bus umsteigen.

Der Bahnhofplatz in Zürich ist nicht mehr zu retten. Dennoch hat Zürich einen überdachten Bahnhofplatz:

Seit die Bahnhofhalle im Zürcher Hauptbahnhof 1996 von den Einbauten befreit wurde, dient sie als überdachter öffentlicher Raum. Das Bild stammt aus einem Artikel von 20 Minuten. Die Pendlerzeitung berichtete am 21.9.2011 darüber, dass die Bahnhofshalle erstmals für Politzwecke genutzt wurde: Im Rahmen des Wahlkampfs erlaubten die SBB den Parteien, sich auf jeweils 50 Quadratmetern zu präsentieren.

Die Zürcher Bahnhofhalle, die an bis zu 100 Tagen im Jahr für allerlei Events genutzt wird, ist heute ein gigantischer Treffpunkt: Mit der funktionalen Entmischung des öffentlichen Raums hat sie die ehemaligen Funktionen des Bahnhofplatzes übernommen. Auch in anderen Städten dient der Bahnhofplatz nur noch dem Umsteigen, alle anderen Nutzungen werden tendenziell weg verlagert. Die Überdachung der Bahnhofplätze ist die logische Konsequenz — keine Stadt will ihre PendlerInnen im Regen stehen lassen.


Ein guter Bahnhofplatz dient nicht nur dem Umsteigen

Monofunktionale Bahnhofplätze sind im Trend, aber sind sie auch städtebaulich und gesellschaftlich wünschbar? Ich bin überzeugt, dass eine lebendige Stadt einen vielfältig genutzten Bahnhofplatz braucht. In die richtige Richtung geht Luzerns Bahnhofplatz:

Zum Vergrössern aufs Bild klicken! Der Screenshot von Google Maps zeigt den Bahnhofplatz Luzern zwischen Bahnhof und See, zwischen der wichtigsten Verkehrsachse über die Seebrücke und KKL. Der Platz ist dreigeteilt: links die Haltestellen der städtischen Buslinien, in der Mitte die Fussgängerachse vom Bahnhof zur Schifflände, rechts der Busterminal für die Linien in die Agglomeration. Der Platz setzt sich als Europaplatz fort unter dem weit auskragenden Dach des Kultur- und Kongresszentrums.

Auch in Luzern ist der Bahnhofplatz, der das Scharnier zwischen Bahnhof, Stadt und See bildet, vor allem eine Verkehrsmaschine, zumal der Bahnhof ein Kopfbahnhof ist, sämtliche Schifffahrtslinien auf dem Vierwaldstättersee hier beginnen und enden und fast alle städtischen und regionalen Buslinien über den Bahnhofplatz führen. Entsprechend gross ist das Verkehrschaos in den Stosszeiten. Für die Stadt Luzern hat der Bahnhofplatz "in erster Linie drei Funktionen zu erfüllen: Drehscheibe des öffentlichen Verkehrs, Visitenkarte für Luzern und Ort der Information (ÖV, Stadtpläne usw.). Andere Nutzungen werden toleriert, sofern sie diese Hauptnutzungen nicht einschränken" (vgl. Medienmitteilung der Stadt Luzern vom 29.9.2009). Luzern sucht also einen Kompromiss zwischen den verschiedenen Ansprüchen. Tatsächlich dient der Bahnhofplatz nicht nur dem Umsteigen, sondern auch repräsentativen Zwecken: Der rekonstruierte Torbogen des alten Bahnhofs erinnert an den Brand und geleitet die Reisenden vom Bahnhof zum Schiff und umgekehrt. Der Bahnhofplatz ist auch ein Treffpunkt und ein Ort des Vergnügens, dafür lässt Luzern die PendlerInnen mancher Buslinien im Regen stehen.

An der Määs beispielsweise steht das Karussell mitten auf dem Bahnhofplatz.

Luzern geht mit seinem Bahnhofplatz in die richtige Richtung: Auch wenn der Platz vorwiegend dem öffentlichen Verkehr dient, bemüht sich die Stadt, diesen zentralen Platz auch noch anderweitig zu nutzen. Ein guter Bahnhofplatz ist nicht nur eine Verkehrsmaschine, sondern auch eine Visitenkarte der Stadt, ein Treffpunkt und ein Aufenthaltsort — ob mit oder ohne Dach, ist letztlich eine zweitrangige Frage der Ästhetik. Ein guter Bahnhofplatz ist ein multifunktionaler öffentlicher Raum, der nicht nur den Ansprüchen der PendlerInnen gerecht wird.

Mittwoch, 25. September 2013

Und die Trophäe geht an...

Nachdem ich letzten Freitag zum Halali auf den Freitagstexter geblasen habe, wird heute für einmal kein Pokal, sondern eine Jagdtrophäe vergeben. Was mir allerdings angesichts der vielfältigen Textstrecke nicht einfach gefallen ist.


Jagdliches Brauchtum: Das Verblasen der Strecke nach einer Jagd. Bild: Bundesarchiv

Die Jagd war erfolgreich: Die Textstrecke, die hier verblasen wird, umfasst 15 Vorschläge. Darunter sind einige kapitale Legenden, die auf der Jagd nach dem Freitagstexter vom 20.9.2013 erlegt wurden:



Hirsch in Bronze
Gleich zwei Bronzehirschen gehen an den Wortmischer für "Flucht der Einradtruppe aus dem Zirkus Roncalli" und für "Fabrikation eines 'Summer Skirt' (rechts) durch eine Näherin aus Bangladesch (unten) in der Tretmühle von H (oben) & M (links)", zum einen, weil er die fahrradfahrerischen Qualitäten von Familie Steinlauf bei der Testfahrt mit dem Goofybike in Chicago am besten zum Ausdruck bringt, zum anderen für die einfallsreiche Beschreibung des ausbeuterischen Produktionssystems von H & M.


Hirsch in Silber
Den silbernen Hirsch gewinnt nömix mit seinem Heinzelmann-Gedicht "Es fährt und näht der Heinzelmann / wo Mutti sonst nur nähen kann." — wurden doch Heinzelmänchen und -frauchen, die sonst nur im Verborgenen wirken, bis anhin noch nie gesichtet und schon gar nicht auf einem Velo mit Nähmaschine...


Hirsch in Gold
Halali! Der goldene Hirsch und damit auch Ehre und Pflicht, den nächsten Freitagstexter auszurichten, gehen an das bee für die hervorragende Kombination von Fahrradfahren und Nähen: "Der sprichwörtlich miserablen Qualität der Radlerhosen verdankte Odile ihren Ruf als unverzichtbarer Bestandteil der Tour de France." Die Vorstellung, das Odile im Begleittross der Tour mitfährt und fahrend die geplatzten Radlerhosen flickt, hat mich amüsiert. Herzliche Gratulation und Merci für diesen augenzwinkernden Seitenhieb auf den immer aufwändigeren Sportanlass.


Und hier biegt der Tour-Tross zum nächsten Freitagstexter ab:



Die ewige Bestenliste auf Twitter: twitter.com/Freitagstexter

Freitag, 20. September 2013

Die Jagd ist eröffnet

Vielen Dank an Shhhhh für den famosen Pokal und die Ehre, wieder einmal den Freitagstexter ausrichten zu dürfen. Ich habe mich für ein Bild aus der Kategorie "Total unnütze Erfindungen" entschieden — die Jagd auf den Freitagstexter ist also eröffnet!



Voilà, hier der neue Freitagstexter:


Bildquelle: www.stellasmagazine.com

Die schusswaffenfreie Jagd auf den Freitagstexter läuft noch bis Dienstag, 24. September 2013, um 23:59 Uhr. Alle, die glauben, den Vogel abgeschossen zu haben, können ihre Beute in einem Kommentar präsentieren. Die schönste, witzigste, coolste Jagdbeute wird am Mittwoch prämiert und der Gewinner oder die Gewinnerin der begehrten Trophäe darf den nächsten Freitagstexter ausrichten. Mitmachen dürfen alle, gewinnen können aber nur FreitagstexterInnen mit eigenem Blog.

Ich freue mich schon jetzt auf Eure Jagdbeute!

Sonntag, 1. September 2013

Bye, Bye, Dresden

An Tag 10 in der Sächsischen Schweiz ist das Wetter so regnerisch, dass ich einen Lesetag einlege und Frau Frogg Mühe hat, mich zu einem Regenspaziergang zu überreden. Ausserdem ist Kofferpacken angesagt, denn unsere Ferien sind leider schon zu Ende.

Regentag in Bad Schandau

Von den zweieinhalb Wochen Ferien in Meissen, Dresden und der Sächsischen Schweiz hatten wir zwei Wochen lang unglaubliches Wetterglück: Es regnete nur zweimal ein wenig — und das nachts. Die letzten drei Tage jedoch waren wettermässig nicht mehr besonders. An Tag 10 regnet es immer wieder und manchmal recht ergiebig. Als der Regen mal nachlässt, machen wir einen Spaziergang durch Bad Schandau. Am Elbquai sind Arbeiter daran, die Bäume aus dem Fluss zu holen, die die Schifffahrt immer noch behindern...


Dresdner Stadtbummel, Teil III

An Tag 11 regnet es zwar nicht mehr, aber es ist kühl und windig — Hochsommer wäre anders. Auf dem Weg zum Flughafen stoppen wir in Dresden, deponieren das Gepäck im Hauptbahnhof, machen nochmals einen Stadtbummel und sehen Dresden so, wie Canaletto die Stadt nie und nimmer gemalt hätte:

Ein fast endloses Gebäude an der Prager Strasse, einer Fussgängerzone, die vom Hauptbahnhof ins Stadtzentrum führt — gigantisch!

Kein Bergkristall, aber ein Gebäude mit interessanter Fassade: das 3D-Kino an der Prager Strasse


Kürzeststadtrundgang

In Dresden für Kurzentschlossene hat Frau Frogg zwei Stadtrundgänge verglichen, die versprechen, die Essenz Dresdens zu vermitteln. Den einen habe ich in Dresdner Stadtbummel, Teil I und Teil II beschrieben, den anderen — Detlev Krells Kürzeststadtrundgang — testen wir an unserem letzten Ferientag: Wir umrunden die Käseglocke auf dem Postplatz.


"Wie eine weite Reise" verspricht die Werbung auf dem Haus hinter der Käseglocke — tönt doch verheissungsvoll für einen Stadtrundgang in 60 Schritten.

Der Kürzeststadtrundgang hält, was er verspricht: Wir sehen das imperiale Dresden, den Zwinger, das kulturelle Dresden, das Staatsschauspiel, das Plattenbau-Dresden der 60er und 70er Jahre, das Dresden der Plätze und grossen Strassenachsen etc. etc.



Trotzdem bin ich ein bisschen enttäuscht, denn die Umrundung ist nicht wie eine weite Reise, sondern ein Trip ins urbane Niemandsland: Der Postplatz wirkt merkwürdig blutleer — das früher pulsierende Zentrum Dresdens ist fast menschenleer...

Altmarkt mit Kulturpalast und Frauenkirche

Auch der Altmarkt, eine riesige Freifläche ist fast menschenleer — vielleicht liegt's am kühlen und windigen Wetter, vielleicht aber auch daran, dass die Dresdner ihre Einkaufsmeile in die benachbarte Altmarkt-Galerie mit rund 200 Indoor-Geschäften verlegt haben. Und auch das grösste Einkaufszentrum Dresdens, die Centrum-Galerie ist nur 150 Meter weiter an der Prager Strasse. Vielleicht sind ja die DresdnerInnen alle beim Einkaufen?

Baugrube an der Prager Strasse: Was immer hier gebaut wird — es ist nicht klein.


Heimreise mit Wehmut

Wir hätten es gut und gern noch ein, zwei Wochen länger in Dresden und Umgebung ausgehalten, deshalb reisen wir mit etwas Wehmut nach Hause. Den Kopf voll von Geschichten und Bildern, nehmen wir Abschied von...



... der Yenidze, Dresdens Zigarettenmoschee, ...



... werfen einen letzten Blick auf die Stadt und die Riverfront ...



... und sagen: Hello Basle, hello Switzerland, we are back!

Fazit: Es waren schöne und erlebnisreiche Ferien — nur leider viel zu kurz. Deshalb: Wir kommen wieder, wann ist allerdings noch offen...

Mittwoch, 21. August 2013

"Wir dampfen wieder!"

Zu Beginn unserer Ferien war die Schifffahrt auf der Elbe wegen Hochwassers gänzlich eingestellt. Zuerst nahmen die Fähren über den Fluss ihren Betrieb wieder auf, aber für Längsfahrten war die Elbe noch gesperrt, der Fluss musste zuerst von Schwemmholz und anderem Treibgut befreit werden. Abschnittweise wurde die Elbe für die Schifffahrt freigegeben und Schritt für Schritt nahm die Sächsische Dampfschifffahrt wieder ihren Betrieb auf — und wir hofften, dass es vor Ferienende noch für eine Dampferfahrt reichen würde.


Sächsische Dampfschifffahrt eingestellt


Lange war ans Dampferfahren auf der Elbe gar nicht zu denken — wir waren froh, dass wenigstens die Fähren wieder fuhren.


Am 12. Juni in Dresden: Die Dampfschiffe waren nur per Boot erreichbar...

Vom 2. bis 14. Juni musste die "Weisse Flotte" ihren Betrieb einstellen, dann teilte die Sächsische Dampfschifffahrt auf Facebook mit: "Wir machen wieder Dampf!" — musste sich aber auf Rundfahrten in Dresden beschränken.


Am 20. Juni in Prossen: Etwa ein Drittel der Flotte lag immer noch im Winterhafen.

Am Freitag, 21. Juni, lasen wir die Mitteilung, dass am Samstag die Längsfahrten wieder aufgenommen würden — vorerst auf dem Abschnitt zwischen Dresden und Königstein — wir waren hoch erfreut.


Am 21. Juni in Bad Schandau: Im 5-Stern-Hotel Elbresidenz wurde mit Hochdruck an der Instandstellung gearbeitet, trotzdem bleibt das vom Hochwasser stark beschädigte Hotel noch bis Ende Jahr zu. An der Ticketverkaufsstelle der Sächsischen Dampfschifffahrt tat sich noch nichts...


...und an der Schifflände staute sich das Schwemmholz.


Es klappt also doch noch!

Wir hatten die Hoffnung schon fast aufgegeben, dann klappt es an Tag 9 in der Sächsischen Schweiz doch noch. Per Bus fahren wir nach Pirna. Nach einer kleinen Stadtbesichtigung besteigen wir den ältesten Raddampfer der Sächsischen Dampfschifffahrt, die Stadt Wehlen mit Baujahr 1879:


Am 24. Juni in Pirna: Wir schiffen uns auf dem PD Stadt Wehlen ein.





Erste Eindrücke an Bord: Schaufelrad — Schiffsmotor in Aktion — Salon unter Deck — Rettungsboot


Fahrt auf dem Fluss

Noch haben erst wenige realisiert, dass die Sächsische Dampfschifffahrt wieder dampft, so dass wir den Raddampfer fast für uns alleine haben — um so mehr geniessen wir die Fahrt auf dem Fluss:


Der Bagger auf dem Schubkahn fischt Bäume aus dem Fluss.


Vom Raddampfer aus sehen wir nochmals die Basteifelsen...


... und den Lilienstein.


Dann kreuzen wir den Raddampfer Pirna, der flussabwärts fährt.


Königstein — wir kommen!

Unterwegs gibt es viel zu sehen, denn wir dampfen an all den schönen Ausflugszielen der Sächsischen Schweiz vorbei: am Städtchen Wehlen, an den Basteifelsen, am Kurort Rathen, am Lilienstein und am Königstein:





Festung Königstein — PD Leipzig — vor der Landung in Königstein — unser Dampfschiff: die ehrwürdige Stadt Wehlen


Flusskreuzfahrt ahoi!

Auch die Flusskreuzfahrtschiffe fahren wieder:


Am 25. Juni in Bad Schandau: Etliche Busse bringen die Passagiere vom verregneten Landgang wieder zurück zu ihrem Schiff "Clara Schumann"


Fazit: Eine Schifffahrt ist lustig, eine Schifffahrt ist schön, ganz besonders, wenn sie so lange herbeigesehnt wird — ein schöner Abschluss unseres Aufenthalts in der Sächsischen Schweiz, obwohl das Wetter nur halb mitspielte.