Kunstsinnige Richter
Diese Woche hatte ich meine letzte Sitzung in der kantonalen Kulturförderungskommission — nach acht Jahren ist dieses kulturelle Engagement wegen Amtszeitbeschränkung zu Ende. Jetzt sollen andere darüber entscheiden, welche Kulturprojekte im Kanton Luzern förderungswürdig sind und welche nicht. Das Plenum vor den Sommerferien findet jeweils an einem Kulturort im Kantonsgebiet statt. Diesmal im Bezirksgericht Hochdorf, Abteilung III, an der Hohenrainstrasse. Das Bezirksgericht: ein Kulturort? Aber ja doch.

Dieses im Kulturmagazin vom Mai 2011 publizierte Bild stammt zwar nicht aus dem Bezirksgericht Hochdorf, sondern aus dem Haftgericht Kriens, zeigt aber, dass es gar nicht so einfach ist, passende Bilder für einen Gerichtssaal zu finden. "Kanten und Ecken, Faltungen und Schnitte. Und immer ein kleiner Lichtblick. Im Gerichtssaal des Haftgerichts in Kriens." Peter Meuli, Präsident des Zwangsmassnahmengerichts, vor einem Werk von Flurin Bisig, o.T. (Faltung G. 5 I-IV), 2010. Quelle: Kulturförderung des Kantons Luzern.
Die Antwort auf die letzte Frage lautet im Fall des Bezirksgerichts Hochdorf: Beides. Im Warteraum hangen einerseits zwei Bilder, die eine eigenartige Ruhe ausstrahlen — sie zeigen Gärten und spiegeln damit auch das, was aus dem Fenster des Raums zu sehen ist. Andererseits ist da auch diese Videoarbeit "Stapfen" (2009) von Michelle Grob installiert, die eine stapfende Frau zeigt, die immer grösser wird, bis sie den Rahmen "sprengt", und dann mit jedem Stapfen wieder etwas schrumpft. Als ob sie nichts anderes zu tun hätte und mit dem Stapfen die Langweile bekämpfen könnte. Quelle dieses Bilds und der folgenden Bilder: Kunstankäufe 2010 und 2011.
Oder mit welcher Kunst sollen Leute in einem polizeilichen Verhörraum konfrontiert werden? Die Polizisten waren erstaunlich offen und akzeptierten zwei recht gegensätzliche und einigermassen gewagte Bilder:
"Gartenstuhl (Gardasee, Italien)" von Raphael Egli (190x180, 2009) und "Flieder" von Nikolaus Schärer (53x70, 2010)
Im Eingang des Gerichts hängt eine ironische Arbeit mit dem Titel "La Suisse 1990 HC 6/30" von Armand Pierre Fernandez (1928 - 2005). Das Bild ist eine Art Schweizerkarte und besteht aus lauter Stempelabdrücken von amtlichen Stempeln — da ist ein Obwaldner Stempel in Genf, ein Luzerner Stempel im bündnerischen Misox usw. — kurz: ein künstlerisches Statement gegen den Kantönligeist und in diesem Kontext auch gegen den Amtsschimmel, der an solchen Orten immer wieder mal zu wiehern droht.
Foto aus der Dokumentation von Raphael Egli und Beat Stalder: "Kunstwerke aus der Sammlung des Kantons Luzern", ausgestellt im Polizei- und Bezirksgerichtsgebäude Hochdorf
Ich bin beeindruckt und hätte nicht gedacht, dass man solche Räumlichkeiten so (hinter)sinnig mit Kunst bestücken kann.
richter
das ist erstens dann nur sch...kunst, die einem von einem händler eingeredet wurde und überdies verlogen. denn recht wird nachwievor zumeist gegen den schwächeren gesprochen.