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Mittwoch, 4. April 2012

Worte Gottes — keine Schweizer Erstaufführung!

Das ist wieder einmal typisch: Da bringt das Luzerner Theater als etabliertes Theater ein selten gespieltes Stück auf die Bühne und behauptet einfach mal, es handle sich um eine Schweizer Erstaufführung. Falsch! "Worte Gottes" von Ramón del Valle-Inclán wurde schon 1995 von der freien Theatergruppe "Il Soggetto" aufgeführt. Premiere war im Tellspielhaus Altdorf. Aber was zählt schon eine Erstaufführung aus der freien Szene und dann noch im letzten Jahrtausend!

Cover des Programmhefts der echten Schweizer Erstaufführung von 1995

In der damaligen, sehr eindrücklichen Inszenierung von Franziska Kohlund spielte die legendäre Schauspielerin Margrit Winter (1917 - 2001), die übrigens bei den Luzerner Spielleuten ihre Theaterkarriere startete, eine Hauptrolle. Ein kurzer Blick ins Schweizer Theaterlexikon auf dem Internet hätte genügt, um den falschen Claim "Schweizer Erstaufführung" zu verhindern. Wenn man die Vorschau in der Märznummer des Luzerner Kulturmagazins 041 (S. 38f.) liest, könnte man sogar vermuten, der Etikettenschwindel sei absichtlich passiert, heisst es doch da: "Als erstes Schweizer Stadttheater bringt das Luzerner Theater «Worte Gottes» auf die Bühne." Ob ignorant oder arrogant — das Luzerner Theater schmückt sich mit fremden Federn — mit denjenigen der freien Szene.

Bericht von art-tv.ch (Zum Bericht von art-tv.ch aufs Bild klicken!)

In einer Chropfleerete in der Luzerner Zeitung vom 30.3.2012 schreibt eine Leserbriefschreiberin, es bleibe ihr unverständlich, warum das Luzerner Theater «Worte Gottes» inszeniere, denn «Worte Gottes» sei derb und vulgär und der Respekt vor behinderten Personen gehe verloren. Obwohl ich die Luzerner Inszenierung noch nicht gesehen habe, weiss ich: Sie hat recht, das Stück ist derb und vulgär. Allerdings liegt das nicht an der Inszenierung von Andreas Hermann, sondern an der Geschichte, die Ramón del Valle-Inclán erzählt, die schockierend und verstörend ist. Sie handelt von der "erdig trüben, barfüssigen Schattengestalt" Juana del Reina, die ihren Sohn, einen wasserköpfigen Zwerg, auf Jahrmärkten zur Schau stellt. Als die Mutter stirbt, bricht ein Erbstreit um den lukrativen Krüppel aus, der schliesslich elendiglich krepiert, weil man ihm zu viel Schnaps eingeflösst hat usw. — wahrlich ein unappetitliches Sittenbild, aber noch kein Grund, sich "von solcher Kultur zu verabschieden", zu einem Rundumschlag gegen das Luzerner Theater auszuholen und zum Verzicht auf einen Theaterneubau aufzurufen, wie das besagte Leserbriefschreiberin tut.

Donnerstag, 29. März 2012

Doppelter Pukelsheim soll’s richten

Die korrekte Abbildung des Wählerwillens ist ein urdemokratisches Problem, das nie endgültig gelöst werden kann: Für jedes System gibt es ein Dafür und ein Dawider. Seit das Bundesgericht festgestellt hat, dass das Proporzwahlrecht verbunden mit zu kleinen Wahlkreisen zu Ungerechtigkeiten führt, lösen historisch gewachsene Wahlsysteme in der Schweiz Diskussionen aus. Etliche Kantone und Städte haben inzwischen ihr Wahlsystem angepasst, aber ausgerechnet die Urdemokraten in der Zentralschweiz tun sich schwer, gerechtere Methoden einzuführen.

Das Problem: Sind in einem Proporzwahlsystem die Wahlkreise so klein, dass im Parlament nur zwei, drei Sitze zu besetzen sind, braucht es einen Wähleranteil von 30 bis 50 Prozent, um einen Sitz zu ergattern. Kleinere Parteien haben in solchen Wahlkreisen null Chancen. Deshalb verlangen sie jetzt — nach einem wegweisenden Entscheid des Bundesgerichts zu den Wahlkreisen in der Stadt Zürich — in den Kantonen Zug, Schwyz und Nidwalden mehr Wahlgerechtigkeit per Gericht, weil die grossen Parteien, die in diesen zu kleinen Wahlkreisen ihre Sitze praktisch auf Sicher hatten, das System nicht freiwillig ändern wollten.

Noch ungerechter sind die Einerwahlkreise im Majorzsystem, das in Grossbritannien gebräuchlich ist:

Postkarte von Charter88 (2007 mit dem New Politics Network zu Unlock Democracy fusioniert) mit dem Wahlergebnis der Wahl zum Britischen Unterhaus 2005 als Beispiel für das Missverhältnis zwischen absolutem Stimmenanteil und Mandatsverteilung bei einer relativen Mehrheitswahl (Majorzwahl)

Tory-WählerInnen, die in einem von Labour dominierten Wahlkreis wohnen, können an den Wahlen gleich zu Hause bleiben, weil zum Vornherein klar ist, dass nur der Labour-Kandidat Wahlchancen hat und ihre Stimmen verloren sind. Dieses „The winner takes all“-System muss für die notorisch unterlegene Minderheit frustrierend sein.

Mit Ausnahme von Luzern bilden in allen Kantonen der Innerschweiz die Gemeinden gleichzeitig auch die Wahlkreise für die Wahlen ins kantonale Parlament, das je nach dem Grosser Rat, Landrat oder ganz banal Kantonsrat heisst. Vielfach sind diese Wahlkreise Einer- oder Zweierwahlkreise – und die Verhältnisse somit durchaus vergleichbar mit dem britischen Majorzsystem. Im Kanton Uri z.B. schicken zehn von zwanzig Gemeinden nur einen Vertreter oder eine Vertreterin in den 64-köpfigen Landrat. In diesen Gemeinden wird konsequenterweise auch im Majorzsystem gewählt. Im Proporzsystem erachtet das Bundesgericht ein Quorum von 10 Prozent oder darunter als erstrebenswert – das heisst: In einem Wahlkreis müssen mindestens 10 Sitze zu vergeben sein. Dieses Kriterium erfüllen aber sowohl im Kanton Uri als auch in Ob- und Nidwalden nur je eine Gemeinde, nämlich die Hauptorte Altdorf, Stans und Sarnen. Nicht viel besser ist es in den Kantonen Schwyz und Zug: Im Kanton Zug können nur 3 von 11 Gemeinden, im Kanton Schwyz 3 von 30 Gemeinden 10 oder mehr Sitze im kantonalen Parlament beanspruchen.

Kanton Parlament
Total Sitze
Anzahl
Gemeinden
davon Gemeinden mit
1 - 2 Sitzen 3 - 9 Sitzen 10 u.m. Sitzen
Uri Landrat
64 Sitze
20 12 7 1
Schwyz Kantonsrat
100 Sitze
30 17 10 3
Obwalden Kantonsrat
55 Sitze
7 *) 6 1
Nidwalden Landrat
60 Sitze
11 1 9 1
Zug Kantonsrat
80 Sitze
11 2 **) 6 3

*) In Obwalden hat jede Gemeinde Anspruch auf mindestens 4 Sitze.
**) In Neuheim wurden 2010 nur 2 Kandidaten aufgestellt und in stiller (!) Wahl gewählt.

Etliche Kantone (Zürich, Aargau und Schaffhausen) und Städte (Zürich und Winterthur) haben inzwischen das Problem von zu vielen unterschiedlich grossen Wahlkreisen gelöst — mit dem doppelten Pukelsheim. Diese "Doppeltproportionale Divisormethode mit Standardrundung" wurde vom Mathematiker Friedrich Pukelsheim entwickelt. In einem ersten Schritt werden auf der Basis der Wähleranteile im ganzen Wahlgebiet die Sitze auf die Parteien verteilt. In einem zweiten Schritt werden die Sitze der Parteien den Wahlkreisen zugeteilt und zwar so, dass die Sitzverteilung in jedem Wahlkreis möglichst gut die Wähleranteile wiederspiegelt. Dabei kann es aber durchaus vorkommen, dass eine Partei in einem Wahlkreis mehr Sitze bekommt als eine andere Partei mit höherem Stimmenanteil.

Der Nidwaldner Landrat, Bildquelle: www.luzernerzeitung.ch

Vorgestern hat der Nidwaldner Landrat den Wechsel des Wahlsystems zum Doppelten Pukelsheim beschlossen — entscheidend war wohl, dass so die bisherigen Wahlkreise beibehalten werden können. Aber auch die Kantone Schwyz und Zug sind bundesgerichtlich aufgefordert, ihre Wahlsysteme gerechter zu gestalten. Zug wird dem Pukelsheim-Club wahrscheinlich ebenfalls beitreten und auch in Uri wird dieses Wahlsystem diskutiert. Nur in Obwalden tut sich wenig: Hier fordert die Junge CVP die Rückkehr zum früheren Majorzverfahren, das Experiment Proporz habe sich nicht bewährt.

Aber warum tut sich die Zentralschweiz so schwer mit der Einführung von gerechteren Wahlsystemen? Erstens verteidigen die alteingesessenen und grossen Parteien ihre Pfründe, zweitens ist der Doppelproporz neu und sein Erfinder, Friedrich Pukelsheim kommt aus dem "Grossen Kanton", was beides suspekt ist, drittens wurde das neue System zuerst in Zürich eingeführt, was ebenfalls suspekt ist. Dabei ist nicht alles schlecht, was aus Zürich kommt!

Sonntag, 18. März 2012

Welcome to Züri-Süd

Inspiriert von Thomas Widmers Wanderkolumne im Tagi und seinem Wanderblog WidmerWandertWeiter führte die gestrige Wanderung uns wieder einmal in die Agglo von Züri-Süd. Wenn die BerglerInnen nach der Abstimmung über die Zweitwohnungsinitiative meinen, wir UnterländerInnen müssten zuerst etwas tun gegen die Zersiedelung vor unserer Haustüre, bevor wir sie bevormunden und ihnen den Bau von Ferienhäusern verbieten, habe ich angesichts des Agglo-Breis ein gewisses Verständnis!

Zum Vergrössern auf die Karte klicken! Quelle der Karte: map.geo.admin.ch

Gestern haben wir uns aufgerafft und sind mit dem Schnellzug nach Rotkreuz, dem Ausgangspunkt unserer Wanderung, gefahren.

1 Boomendes Rotkreuz



Zuerst eine Warnung: Das Lesen dieses Wanderwegweisers am Bahnhof Rotkreuz kann Ihre Gesundheit gefährden, weil er für FussgängerInnen äusserst ungünstig neben der Parkhausausfahrt platziert ist.

Seit die A4 durchs Säuliamt nach Zürich offen ist, boomt Rotkreuz, das zur steuergünstigen Zuger Gemeinde Risch gehört, noch mehr: In der Industrie- und Gewerbezone hinter dem Bahnhof haben sich etliche Hauptsitze grosser Unternehmen angesiedelt: z.B. Roche Diagnostics, AMC International und die Doppelmayr-Garaventa Group. Weitere grosse Firmen, wie 3M, die Komax Holding, die SFS Holding oder Panasonic, haben hier einen Ableger. Von Headquarter Economy zu reden wäre dann aber doch etwas übertrieben, aber mit den 1700 Arbeitsplätzen von Roche Diagnostics sowie den beiden Fortbildungszentren von Hoffmann-La Roche und Novartis entsteht ein regionaler Pharma-Cluster.

2 Fisch oder Krebs?

Dieses Bild beinhaltet die ganze Ambivalenz der Agglo:
Vorne erinnern zwei sorgfältig präsentierte Mühlsteine an die rural geprägte Vergangenheit, hinten kündet ein Wald von Profilstangen den Bau von Wohnungen für die neuen Arbeitskräfte von Roche an.

Nur wenige Schritte weiter waren zwei Kinder an einem Bächlein am Fischen. Ultimativ fragten sie uns: Fisch oder Krebs? Und obwohl sie weder das eine noch das andere gefangen hatten und insgeheim auch wussten, dass es nie dazu kommen wird, drohten sie uns, dass wir den Fang lebendig verspeisen müssten.

Doch wir hatten keine Zeit, um im Trüben zu fischen, wir wollte weiter aufs Michelskreuz.

3 Agglo-Patchwork


So sieht die Zersiedelung in Züri-Süd aus: Ein dichtes Geflecht aus Bahnlinien, Autobahnen und Strassen erschliessen ein planerisches Patchwork aus Wohn- und Gewerbezonen. Darum herum als Naherholungszone genutztes Landwirtschaftsgebiet mit periurbanen Bauernhäusern.

4 Interessantes am Wegrand

Abgesehen vom Agglo-Patchwork gab es am Wegrand allerlei Interessantes zu sehen: einen wenig vertrauenserweckenden Hochstand für Jäger, erste Frühlingsblumen und das Gewusel eines grossen Waldameisenhaufens.

5 Aussicht vom Michelskreuz




Oben: Auf dem höchsten Punkt unserer Wanderung auf knapp 800 m.ü.M. steht die Kapelle Michaelskreuz. Hier soll Erzengel Michael himself einem Einsiedler erschienen sein und ihm befohlen haben, ein Kreuz zu errichten. Was mich jedoch mehr faszinierte, ist der mächtige Baum neben der Kapelle.

Mitte: Um das Panorama wirklich geniessen zu können, war es zu diesig. Blickt man nach Norden, sieht man ins Reusstal und ins Mittelland. In der Bildmitte ist die Papierfabrik Perlen auszumachen, die in Zukunft dank der Energie aus der hier geplanten Kehrrichtverbrennungsanlage ökologischer produzieren wird.

Unten: Im Süden wird das milchige Panorama durch die Rigi dominiert, links davon der Zugersee und der Wildspitz.

6 Gault Millau-Güggeli

Als wir den Weg zum Gasthaus Michaelskreuz runtergingen, war der Parkplatz vor der Ausflugsbeiz verdächtig leer und mir schwante Ungemach. Und tatsächlich: Das Gasthaus war wegen Betriebsferien zu und Frau Frogg reichlich sauer. Während Wanderkolumnist Widmer hier nur Kaffee trank, weil es fürs Mittagessen noch zu früh war, blieb uns nichts anderes übrig, als die stündige Wegetappe nach Udligenswil unter die Füsse zu nehmen. Und wenn schon Wandern mit Widmer, dann auch Essen mit Widmer: Auch wir kehrten im Frohsinn ein, der mit 14 Gault-Millau-Punkten dekoriert ist und ausgezeichnete Güggeli serviert.



Ich bekam einen sauren Most gegen den Durst und Frau Frogg musste gegen ihren Willen einen Nüsslisalat essen, dennoch hellte sich ihre Mine deutlich auf.


Auch in Udligenswil ist die Agglomeration noch nicht fertig gebaut: Am Sonnenhang mit Aussicht auf ein prächtiges Panorama kündigen Profilstangen die Erweiterung der Einfamilienhaus-Plantage an. Am besten gedeihen die Hüsli an sonnigen Hängen mit Seesicht und Blick in die Berge.

Die Zürcher Kantonalbank kann jetzt gemäss einem Bericht der heutigen Sonntagszeitung den Wert des Panoramas berechnen: "Sind 16 oder mehr dominante Gipfel zu sehen, muss man mit einem Mietaufschlag von zehn Prozent rechnen, bei Uferlage (an einem See) kommen weitere sieben Prozent hinzu. Seesicht allein verursacht einen Aufschlag von drei bis fünf Prozent, zunehmende Distanz zum See reduziert ihn jedoch wieder. Insgesamt kann die Aussicht auf Seen und Berge ein Objekt bis zu 21 Prozent verteuern." Die Aussicht auf berühmte Gipfel kann allerdings noch teurer sein: Vor Einführung der Beschränkung von neuen Zweitwohnungen in Zermatt rechtfertigte der Ausblick aufs Matterhorn einen Aufpreis von 20 bis 30 Prozent. Das sind teure Aussichten!



7 Die Lücke im Hügelzug

Zum Vergrössern aufs Bild klicken!

Dieses Panorama zeigt ausser dem Pilatus keine wertvollen Gipfel und auch keinen See, sondern das Götzetal, das zwischen Udligenswil und Adligenswil den Hügelzug durchbricht.

8 Ein Frühlingsgruss



Der Frühling lässt grüssen — mit ersten aufbrechenden Knospen an einer schützenden Hauswand. Und während Widmer weiter wanderte, hatten wir in Adligenswil genug und nahmen das Postauto nach Luzern.

Montag, 12. März 2012

Urbane vs. alpine Schweiz

Nach dem Abstimmungswochenende reibt sich die Schweiz die Augen: Denkbar knapp mit nur 50.6% Ja und nur 28'445 Stimmen Unterschied haben die Stimmenden der Zweitwohnungsinitiative von Franz Weber zum Durchbruch verholfen. Sie beschränkt den maximalen Anteil an Zweitwohnungen für jede Schweizer Gemeinde auf 20 Prozent. In grossen Teilen des Berggebiets bedeutet dies faktisch ein Bauverbot für Ferienwohnungen, denn die Limite ist schon jetzt vielerorts weit überschritten.









Obige, interaktive Karte des Bundesamts für Statistik zeigt: Die Städte und grosse Teile des Mittellands und des Juras haben die alpine Schweiz überstimmt — was selten vorkommt, denn urban-fortschrittliche Anliegen haben es in der ländlich-konservativ geprägten Schweiz schwer. Es fällt auf, dass in den Agglo-Gürteln von Zürich, Luzern und Lausanne-Genf Nein-Mehrheiten zustande kamen — gut möglich, dass dies diejenigen Gebiete sind, wo die Unterländer mit Ferienhausambitionen ihren Erstwohnsitz haben. Abgelehnt wurde die Inititative in den Bergkantonen, insbesondere in den stark betroffenen Gebieten der Kantone Wallis, Tessins und Graubünden, wo weniger als 30% Ja gestimmt haben. Unter 40% Ja sind auch das Entlebuch und der Kanton Uri. Durchs Band abgelehnt wurde die Initiative in der konservativen, auf den Tourismus ausgerichteten Zentralschweiz — die wenigen Ausnahmen sind die Stadt Luzern und vier Nachbargemeinden sowie die beiden Tourismusgemeinden Vitznau (LU) und Unteriberg (SZ), wo wahrscheinlich die negativen Auswirkungen der kalten Betten überwiegen.

Folgende Karte zeigt die von der Initiative betroffenen Gebiete:


Rot eingefärbt sind Gemeinden mit einem Zweitwohnungsanteil von mindestens 20%, dunkelrot strukturschwache Gemeinden mit Abwanderung und geringer Wohnbautätigkeit. Quelle: Faktenblatt des UVEK zur Volksinitiative «Schluss mit uferlosem Bau von Zweitwohnungen!» (PDF)

Was ist eine Zweitwohnung? Das ist eine Frage, die erst noch beantwortet werden muss. Die Statistik unterscheidet nämlich nur zwischen dauerhaft, zeitweise und nicht bewohnten Wohnungen. Auch obige Karte setzt Zweitwohnungen mit den zeitweise bewohnten Wohnung gleich. Im Jahr 2000 wurden in der Schweiz rund 420'000 zeitweise bewohnte Wohnungen gezählt, Fachleute schätzen, dass es heute etwa 500'000 sind. Die zwanzig Gemeinden mit den höchsten Anteilen — zwischen 65 und 83 Prozent — liegen gemäss letzter Volkszählung in den Kantonen Wallis, Graubünden und Tessin. Die höchsten Werte wurden in den Gemeinden Saint-Luc VS, Grimentz VS und Laax GR verzeichnet.

Legt man die beiden Karten übereinander, kommt dies heraus:


Zum Vergrössern auf die Karte klicken!

Legende:
hellgrün = Gebiete mit Ja-Mehrheit und Zweitwohnungsanteil unter 20%
oliv = Gebiete mit Ja-Mehrheit und Zweitwohnungsanteil über 20%
lila = Gebiete mit Nein-Mehrheit und Zweitwohnungsanteil unter 20%
rot = Gebiete mit Nein-Mehrheit und Zweitwohnungsanteil über 20%
violett = Gebiete mit grosser Nein-Mehrheit und Zweitwohnungsanteil über 20%

Fazit: In den alpinen Ferienhausgegenden der Schweiz wurde die Inititative abgelehnt, die Ausnahme bilden die wenigen oliv eingefärbten Gebiete, die trotz oder gar wegen vielen Zweiwohnungen Ja gestimmt haben. Abgesehen von den Agglomerationsgürteln der Städte haben das Mittelland und der Jura der Inititative zugestimmt. Wenn Städter und Städterinnen in die Berge fahren, wollen sie möglichst intakte und keine zersiedelten Landschaften geniessen und haben deshalb die Bergkantone überstimmt.

Samstag, 10. März 2012

Solothurn als Windkanal

Wenn die Bise bläst wie heute, wird Solothurn zum Windkanal: Der kalte Ostwind, der durch die Alpen und den Jura kanalisiert wird, verwandelt den Flussraum der Aare in einen Windkanal. Bei dieser steifen Brise ist es trotz sonnigem Wetter nur im Windschatten einigermassen angenehm.



Die Fahnen, die für ein JA zur Sanierung des Solothurner Theaters werben, stehen steif im unangenehmen Wind. Die Bise treibt die Wellen auf der Aare flussaufwärts — nicht selten entstehen sogar Schaumkronen.



Wenn die Bise geht, dann flattert das schwere Wirtshausschild vom Kreuz Solothurn lustig im Wind und quietscht dabei manchmal wie ein alter Esel. In der zweiten Hälfte des Videos von Kulturflaneur-TV ist ein rhythmisches Geräusch zu hören — und ich fragte mich, was so tönt, bis ich mir den Schluss des Filmchens noch einmal genauer ansah und die Leute entdeckte, die am Altschneehaufen vor dem Kreuz ihre Schuhe abputzen.

Donnerstag, 8. März 2012

Energiepolitisches Panorama

Das Dachpanorama von vorgestern ist nicht besonders attraktiv, dafür energiepolitisch interessant. Im Hintergrund, im hellen Streifen zwischen Horizont und grauem Deckel ist unsere Energievergangenheit zu sehen: zwei riesige AKW-Dampffahnen, die zuerst schräg in den Himmel steigen und dann waagrecht nach Westen geblasen werden. Im Vordergrund beginnt auf den roten Neubauten unsere Energiezukunft: dezentrale Solarenergienutzung auf den Dächern unserer biederen Baugenossenschaft — wer hätte das gedacht!

Dachpanorama vom 6. März 2011 um 7 Uhr 47 — zum Vergrössern aufs Bild klicken!

Es lohnt sich wirklich, das Panorama zu vergrössern, denn die beiden AKW-Dampffahnen über dem ockerfarbenen Haus in der Bildmitte sind recht weit entfernt und doch riesig: Die linke stammt aus dem AKW Gösgen, das 42 km entfernt ist, die rechte aus dem AKW Leibstadt, das sogar 61 km weit weg ist.

Schrägansicht aus 34'650 m Höhe mit Google Earth — zum Vergrössern aufs Bild klicken!

Der Screenshot aus Google Earth zeigt nochmals die Dimensionen: im Vordergrund ist der Vierwaldstättersee zwischen Pilatus und Rigi zu sehen, dahinter das schweizerische Mittelland mit den Luftlinien zu den beiden AKWs (rot = Gösgen, gelb Leibstadt) und dem oberen Bildrand entlang schlängelt sich der Rhein westwärts nach Basel...

Dienstag, 6. März 2012

Total belasert

Ich geb’s ja zu, ich bin ein News- und Rätseljunkie. Jeden morgen lese ich den Tagi und löse das Quizrätsel, das Bimaru und das Sudoku. Neben dem Kaffee, der stark, schwarz und mit zwei Stück Zucker sein muss, bringt das meine grauen Zellen auf Trab. Doch gestern verlief das Aufputschritual mit News, Rätsel und Kaffee nicht ganz optimal...

Beim Quizrätsel muss man bei jeder Frage die richtige Antwort aus drei Antwortoptionen auswählen. Das ergibt dann einen von den zehn Buchstaben des Lösungsworts. Die Fragen sind gar nicht so einfach und manchmal muss ich Google zu Rate ziehen, um das Rätsel zu lösen. Doch gestern musste ich erstmals auch das Lösungswort googlen, weil ich mit "Belaserung" einfach nichts anfangen konnte: Belaserung — hä???

Etwas belasert habe ich also recherchiert, was eine Belaserung ist. Wikipedia war ratlos und sogar Google lieferte nur lausige 700 Treffer. Doch bei uns ganz in der Nähe wurde ich fündig: Da gibt es in Küssnacht am Rigi die 3D-Laser SwissArt AG, die belasert alle möglichen Gegenstände, v.a. solche aus Glas:


Das Promovideo auf Youtube, hochgeladen von 3D-Laser SwissArt AG, präsentiert einen Glasquader, der mit dem Löwendenkmal belasert wurde.

Den traurigen Löwen in 3D gibt es übrigens auch als formschönen Schlüsselanhänger — ist das nicht total belasert?


Bild: www.3d-laser.ch

Heute stellte sich heraus, dass ich bei der Antwort auf Frage 5 "Kein Fruchtgemüse ist die ...?" gepfuscht habe. Zur Auswahl standen: (S) Paprika, (G) Erdbeere oder (I) Aubergine. Zum Glück war ich belasert und habe mich für Paprika statt für Erdbeere entschieden, was fürs Lösungswort entscheidend war: Richtig wäre nämlich "BelaGerung" und nicht "BelaSerung". Zum Glück — weil aus Belagerung niemals dieser total belaserte Eintrag entstanden wäre.

PS. Wie belasert muss jener frisch gewählte Staatspräsident sein, dessen Name mit P beginnt und mit UTIN aufhört, dass er es für nötig hält, eine Wahl fälschen zu lassen, bei der zum Vornherein klar war, dass er gewählt wird, weil er dafür gesorgt hat, dass nur chancenlose Gegenkandidaten antreten dürfen?

Sonntag, 4. März 2012

Mini-Menage

Wer weiss, dass ich mich vor drei Jahren in einem Kommentar auf Frau Froggs Blog als Verfechter von Salatschleudern und als bekennende Besteckladenschwuchtel geoutet habe, verwundert nicht, dass ich ein Fan der Mini-Menagen bin, die im Speisewagen der SBB manchmal zur weit und breit besten Tomatensuppe auf den Tisch gestellt werden — nicht, dass es Salz oder Pfeffer brauchen würde, aber diese Mini-Menagen sind einfach süss!


Grossaufnahme der Mini-Menage neben einer Scheibe Brot (als Grössenvergleich)

A propos Menagen: In den gutbürgerlichen Beizen der Schweiz steht auf jedem Tisch eine Menage mit Aromat, Würze, Salz und Pfeffer und Zahnstochern — ein fast schon nostalgisches Markenzeichen für ein typisch schweizerisches Restaurant, wie dieser Blogeintrag von Piattoforte (Bild) zeigt.

Wenn es ums Aromat geht, sind wir Schweizer uns einig: Dieses Nationalgewürz gehört zur Schweiz wie das Schweizerkreuz, das Matterhorn oder die Schokolade. Das geht so weit, dass wir, wenn wir in die Ferien fahren, eine Dose Aromat einpacken — als gewürzmässige Rückversicherung haben wir die Schweiz als Essenz immer dabei. Zumindest meine Mutter und auch Frau Froggs Mutter haben vor der Fahrt in die Ferienwohnung jeweils das Aromat eingepackt. Doch niemand kann das innige Verhältnis der SchweizerInnen zu ihrem Aromat besser darstellen, als Gisela Widmer mit ihrer schweizerdeutschen Radiokolumne Knorrli auf der Hörbühne von Radio DRS — einfach grossartig, unbedingt nachhören!

AusländerInnen können mit unserem Nationalgewürz weniger anfangen. Die einfache Frage "Can somebody tell me why do Swiss people add Aromat to everything they cook? Hehe. Does this also exist in your country?" von Nikkito auf dem English Forum Switzerland löste sage und schreibe 135 Antworten aus. Die Debatte drehte sich allerdings vor allem um die Schädlichkeit von MSG im Aromat (Monosodium glutamate bzw. Mononatriumglutamat) — anyway, AusländerInnen werden uns in Sachen Aromat nie verstehen!