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Freitag, 11. Februar 2011

Das Denkmal der Arbeit

Über Kunst im öffentlichen Raum wurde in Zürich schon immer gestritten — und nicht nur über den Hafenkran oder das Nagelhaus, sondern auch über die richtige Darstellung der Arbeiterklasse.


Dieses Bild von Philipp Messner zeigt Karl Geisers Denkmal der Arbeit, das 1964 auf dem Helvetiaplatz in Zürich aufgestellt wurde.


Und auf diesem Bild von tomciozg ist die Bronze "Befreiung - Aufstieg" oder "Prometheus" von Werner F. Kunz auf Zürichs Werdplatz zu sehen.

Der Bildhauer Karl Geiser (1898 - 1957) leidet unter grauenhaften Selbstzweifeln. Der Abgabetermin für den Wettbewerb um ein Denkmal "Ehrung der Arbeit", das auf dem Helvetiaplatz in Zürich-Aussersihl aufgestellt werden soll, ist bereits verstrichen, als drei Freunde und Bekannte das Gipsmodell in seinem Atelier behändigen und verspätet abliefern. Als Geiser Mitte 1952 den Wettbewerb gewinnt, ist er überglücklich. Doch danach arbeitet er an anderen Projekten und vertröstet die Stadt auf später. 1957 wird er tot in seinem Atelier aufgefunden, wahrscheinlich hat er sich mit einer Überdosis Schlaftabletten das Leben genommen. Nach langem Hin und Her lässt die Stadt Zürich Geisers Gipsfiguren mit einem Pantographen im Verhältnis 1 zu 3 vergrössern, in Bronze giessen und 1964 vor dem Volkhaus in Zürich-Aussersihl aufstellen.

Längst nicht alle sind glücklich mit Geisers Darstellung der Arbeiterklasse. Die Gewerkschaften vermissen das Pathos, die Grösse und die Kraft der Gestalten. Der Schweizerische Bau- und Holzarbeiter-Verband (heute Teil der Unia) stellt 90'000 Franken für ein gigantisches Gegenprojekt bereit: Der Bildhauer Werner F. Kunz soll heimlich einen fesselsprengenden Arbeiter in monumentaler Höhe aufbauen, der fertig gegossen der Stadt Zürich geschenkt werden soll. Doch der Stadtrat bekommt Wind von diesem Vorhaben — und die pathetische Plastik verschwindet für einige Zeit im Depot der Stadt, bis sie schliesslich 1962 auf dem Werdplatz vor dem damaligen Restaurant Cooperativo aufgestellt wird.

Auch als die beiden konkurrierenden Arbeiterdenkmäler bereits stehen, gehen die Kontroversen weiter: Bei Geisers Figurerngruppe wirft das "Magazin" 1975 die Frage auf, ob es sich nicht eher um ein Denkmal des Arbeitsfriedens handle als um eines der Arbeit. Dass es Arbeiter seien, sei zu wenig gut erkennbar, es könne sich auch um eine Familie auf dem Weg zur Migros handeln. Die Figur vor dem "Coopi" andererseits wird despektierlich als "Stachanow" oder "Kraftprotz" tituliert. In den 90er Jahren bringen radikale Feministinnen mehrmals Verzierungen an dem "Kerl" an, den sie als Ärgernis empfinden.

Anzumerken bleibt noch, dass die Grossbronze von Werner F. Kunz ursprünglich gar nicht als Arbeiter gedacht war. Sie sollte das marode Patriotendenkmal in Stäfa ersetzen. Dieses Denkmal erinnert an die Freiheitskämpfer im Stäfner Handel von 1795, die sich gegen die Bevormundung durch die Stadt Zürich wehrten.

Quellen:
Jan Morgenthaler (1988): Der Mann mit der Hand im Auge. Die Lebensgeschichte von Karl Geiser. Limmat Verlag, Zürich.
Martin Huber (2008): Wie die Arbeiter auf den Sockel kamen. Tagesanzeiger online, 26.4.2008.

Mittwoch, 9. Februar 2011

Welches ist Ihr Feuerauge?

Das fragte mich der Optiker, als ich ein neues Paar Kontaktlinsen brauchte. Mir war schon klar, dass er nichts Esoterisches meinte, aber was dann?

Als meine Sicht wegen Proteinablagerungen auf den Kontaktlinsen wieder einmal stark eingetrübt war, sass beim Kontaktlinsenfachmann und liess mich beraten. Obwohl ich kurzsichtig bin, habe ich nämlich seit einiger Zeit Mühe Zeitung zu lesen. Man könne nicht kurz- und weitsichtig sein, meinte mein Fachmann, aber mit zunehmendem Alter — das ist bei mir der Fall — nehme die Nahanpassungsfähigkeit des Auges ab. Dies nenne man Alterssichtigkeit (Presbyopie). Ich hätte drei Optionen, mit diesem Problem umzugehen:
  1. Bifokal- oder Gleitsichtbrille
  2. Kontaktlinsen plus Lesebrille
  3. Unterschiedlich starke Linsen
Bei Option 3 bestehe die Gefahr, dass ich Kopfweh bekäme. Dennoch entschied ich mich, diese Variante auszuprobieren. Ich sass also bereits auf dem Stuhl, bereit für die obligaten Sehtests, als mein Linsenspezialist mich fragte: "Welches ist denn Ihr Feuerauge?" "Feuerauge?", fragte ich verständnislos zurück. Er: "Ja, das Auge, mit dem Sie beim Schiessen zielen." Aha. Ich musste einen kurzen Moment überlegen, denn geschossen habe ich schon Jahrzehnte nicht mehr. "Das rechte", sagte ich dann.

Seither schaue ich mit dem Feuerauge in die Ferne und lese mit dem Leseauge: Mein linke Kontaktlinse korrigiert die Sicht um eine halbe Dioptrie weniger stark als sie für eine gute Weitsicht eigentlich müsste — und es funktioniert. Kopfweh habe ich nicht bekommen, aber seither weiss ich, was ein Feuerauge ist. Und das weiss nicht einmal Wikipedia.

Dienstag, 8. Februar 2011

Wird das Knabenschiessen abgeschafft?

Bedeutet eine Annahme der Waffenschutzinitiative auch das Ende des Zürcher Knabenschiessens?

Frau Frogg hat mich darauf hingewiesen, dass ich in meinem Beitrag über den Bilderstreit im Abstimmungskampf zwar geschrieben habe, beide Seiten würden Kinder für ihre Kampagnen einspannen, aber dann nur Bilder der Initiativbefürworter gezeigt habe. Hier also ein Bild der Initiativgegner (von einem Abstimmungsflyer):


Für alle, die nicht wissen, was das Knabenschiessen ist: Beim Knabenschiessen Mitte September wird nicht etwa auf Knaben geschossen, nein, es ist seit 1889 ein Wettschiessen der 13- bis 17-Jährigen und ein grosses Volksfest für die Zürcher Bevölkerung. Seit 1991 dürfen auch Mädchen mitmachen und 1997 wurde erstmals ein Mädchen Schützenkönigin. Sehr aufschlussreich ist übrigens das Video vom Knabenschiessen TV auf der Homepage des Knabenschiessens.

Gerne glaube ich, dass der letztjährige Schützenkönig gegen die Waffenschutzinitiative stimmen würde, wenn er abstimmen dürfte. Hingegen glaube ich nicht, dass der 13-jährige Robin genau das gesagt hat, was im Zitat steht, weil ein Jugendlicher in seinem Alter das nie so formulieren würde. Völliger Quatsch ist natürlich die Aussage, dass er mit der Annahme der Waffenschutzinitiative der letzte Schützenkönig des Knabenschiessens wäre. Das Wettschiessen wird mit Leihwaffen absolviert und ist von der Waffenschutzinitiative in keiner Weise tangiert. Der entsprechende Bericht von "20 Minuten" über die fragwürdige Propaganda mit Schützenkönig hat aber unglaublich hohe Wellen geworfen und bis jetzt über 500 Kommentare bekommen...

PS. Im Züribiet aufgewachsen, habe ich wie viele Gleichaltrige mehrmals am Knabenschiessen teilgenommen. Einmal habe ich mir sogar einen Preis "erschossen". Ich kann deshalb durchaus nachvollziehen, was Jugendliche am Knabenschiessens fasziniert: das Schiessen mit einer richtigen Waffe, einem Sturmgewehr. So oder so gehören aber die Armeewaffen nicht in den Kleiderschrank, sondern ins Zeughaus!

Sonntag, 6. Februar 2011

Darf Kunst im Weg sein?

Muss Kunst mehrheitsfähig sein? Über nichts regen sich die Leute mehr auf als über Kunst im öffentlichen Raum. Vor allem, wenn sie auch noch im Weg steht. Seit die Stadt bekannt gegeben hat, welches Kunstwerk die Vorzone der Messe und des Fussballstadions schmücken wird, ereifern sich die Internetkommentatoren über den "Stein des Anstosses".

Im öffentlich ausgeschriebenen Ideenwettbewerb hat dieser Vorschlag von Felix Kuhn das Rennen gemacht. Von den 12 anonym eingereichten Arbeiten hat der "Klotz", ein Würfel aus Beton, Metall und Glas mit einer Kantenlänge von 6 Metern, 500 Tonnen schwer und 140'000 Franken teuer, die neunköpfige Jury als "künstlerische Intervention" mit ihrem "mutigen subtil-subversiven Ansatz" am meisten überzeugt. Das Werk thematisiert den Wert von Kunst im öffentlichen Raum: Das Volumen des Würfels (216 Kubikmeter) steht im gleichen Verhältnis zum Total des auf der Allmend verbauten Materials (400'000 Kubikmeter) wie die Kosten für den "Klotz" zu den 250 Millionen Franken, die für die neuen Bauten auf der Luzerner Allmend aufgewendet werden: 0.00056 zu 1. Auch die Zusammensetzung des Würfels entspricht den für die Neubauten verwendeten Materialien.

Während die Kulturszene positiv auf den Juryentscheid reagierte, sind die meisten Kommentare auf dem Internet negativ: Von "Sowas klotzt mich einfach an..." über "Absolut hässlich und schade um jeden einzelnen Franken" bis "140'000 Fr. teures Urinal" urteilt die Internetgemeinde. Die Direktbetroffenen, der FC Luzern und die Messe Luzern AG, waren in der Jury nicht vertreten — "aus Angst vor zu grossen Interessenkonflikten". Zu Recht, wie die Reaktion der Messe Luzern AG zeigt: "Dieser Klotz ist ein Affront und eine riesige Enttäuschung", wettert ihr Geschäftsführer Markus Lauber. "Wir werden uns auf jeden Fall dagegen wehren." Kaum zu glauben, dass sich die Messe, die von den Investitionen der öffentlichen Hand stark profitiert (neue S-Bahn-Station unmittelbar vor dem Eingang), sich gegen die öffentliche Kunst in ihrem Umfeld zur Wehr setzt. Offenbar ist alles, was sich nicht unmittelbar rentabilisieren lässt, vor allem "Kunst, die da kratzt, wo es erst morgen beisst" (Felix Kuhn), ein Affront, den es zu bekämpfen gilt.

Der "Stein des Anstosses" auf der Allmend thematisiert nicht nur den Wert der Kunst im öffentlichen Raum — er hat es jetzt schon geschafft, eine öffentliche Diskussion darüber in Gang zu bringen. Diese Geschichte wirft aber auch noch weitere Fragen auf:
  • Wer soll über Kunst im öffentlichen Raum entscheiden?
  • Müssen Direktbetroffene einbezogen werden?
  • Kann Kunst Resultat eines demokratischen Prozesses sein?
  • Braucht es für einen 6x6x6-Meter-Kunst-Klotz eine Baubewilligung?
  • Darf Kunst dem (Messe-)Kommerz im Weg sein?
Ich behaupte: Sie darf nicht, sie muss! Wenn Kunst nur Dekoration ist, verkommt sie zur "Kreiselkunst" und löst rein gar nichts mehr aus.

Freitag, 4. Februar 2011

Scheinheilige Empörung

Ein Woche vor der Abstimmmung über die Waffenschutzinitiative treibt die Emotionalisierung der Debatte ihrem Höhepunkt entgegen. Mit immer krasseren Bildern wird für ein Ja oder ein Nein geworben. Beide Seiten spannen Kinder für ihre Kampagne ein — und werfen sich das gegenseitig vor. Doch Politwerbung hat schon immer mit Bildern für Emotionen gesorgt. Da ist nichts Schlimmes dabei. Schlimm ist nur, wenn der Bilderstreit von der eigentlichen Debatte ablenkt.


"Freeze revisited" (2009): Die essbaren Eispistolen sind Arbeiten von Florian Jenett und Valentin Beinroth.

Stein des Anstosses ist dieses Bild eines Buben, der sich an einer Kunstaktion in Frankfurt eine Pistole aus Wassereis in den Mund hält. Mit einem Bildausschnitt sowie einem Zitat der bischöflichen Kommission "Justitia et Pax" wurde im Luzerner Pfarreiblatt für die Initative zum Schutz vor Waffengewalt geworben. Das Bild löste eine Welle der Empörung aus: "Horrorbild", "abscheulich" und "Pfui!", hiess es in den Leserbriefspalten unserer Zeitung. Die Empörung ist so gross, dass sich der Pfarreiblatt-Redaktor entschuldigen musste.

Zugegeben, das Bild schockiert. Aber offensichtlich darf ein Pfarreiblatt nicht mit einem solchen Bild für ein christliches Anliegen werben. Und ausgerechnet drei CVP-PolitikerInnen, die für christliche Werte einstehen sollten, haben beim Schweizerischen Presserat Beschwerde eingereicht:

  • Ida Glanzmann, die auf ihrem Blog unter dem Titel "Teddybären bluten nicht!" gegen die Inititative argumentiert.
  • Pius Segmüller, der sich als ehemaliger Kommandant der Schweizer Garde in Rom, als Geschäftsführer der Sicherheitsfirma Swissec AG, als Nationalrat und Mitglied der Sicherheitskommission für den sofortigen Kauf neuer Kampfjets einsetzt.
  • Ruedi Lustenberger, der im Nationalrat für neue AKWs und als aktiver Jäger gegen den Wolf kämpft.
Ich frage mich ernsthaft, wie diese drei PolitikerInnen ihren engagierten Kampf gegen die Waffenschutzinitiative mit dem C im Parteinamen in Einklang bringen können — für mich sind sie einfach nur unglaubwürdig und scheinheilig.

Mittwoch, 2. Februar 2011

Krankenkassenverarschung

Wie jedes Jahr ist im letzten Oktober die neue Police meiner Krankenversicherung ins Haus geflattert. Der Aufschlag betrug satte 10.4%. Jetzt reicht's, dachte ich mir, und habe mich auf dem Internetvergleichsdienst Comparis schlau gemacht. Und siehe da: Das Sparpotential war riesig — ich konnte gegenüber der neuen Prämie 26.1% einsparen. Doch das Beste kommt noch: Die neue Krankenversicherung ist eine Tochtergesellschaft der alten — verarschen kann ich mich selber, dachte ich mir, und habe das erste Mal in meinem Leben die Krankenversicherung gewechselt.

Und hier die Details: Meine alte Kasse war seit meiner Kindheit die Helsana, bei ihr hätte die Monatsprämie für das HMO-Modell bei 300 Franken Jahresfranchise CHF 306.65 gekostet. Meine neue Kasse ist die Sansan, Mitglied der Helsana-Gruppe. Bei ihr beträgt die Monatsprämie für die genau gleiche Versicherung (HMO-Modell und 300 Franken Jahresfranchise) CHF 226.75 — meine HMO-Praxis bleibt die gleiche und ich spare im Jahr sage und schreibe CHF 958.80.

Bis anhin bin ich davon ausgegangen, dass eine grosse Krankenkasse mit vielen Versicherten sozialer ist, weil die Jungen und Gesunden die Alten und Kranken mitfinanzieren. Deshalb war es mir egal, wenn ich nicht die tiefstmögliche Prämie bezahlte. Als ich dann aber merken musste, dass eine Tochtergesellschaft meiner Krankenkasse dasselbe für einen Viertel weniger anbietet, hat's mir gereicht: Ich lass mich doch nicht für blöd verkaufen.

Aber ich frage immer noch: Was steckt hinter dieser Strategie der Helsana-Gruppe, sich selber mit Tiefprämien zu konkurrenzieren? Setzt die Helsana einfach auf die Trägheit der Versicherten, die wie ich Jahrzehnte lang zu träge sind, die Versicherung zu wechseln? Geht diese Strategie insgesamt vielleicht sogar auf?

Dienstag, 1. Februar 2011

Hochwasserpanoramen

Dieses Fundstück aus dem Beifang meiner Internetrecherchen zum Thema Panorama widme ich Frau Aqua, denn auf diesen interaktiven Hochwasserpanoramen fliesst (fast) alles...

Der Screenshot des Fundstücks: 12 interaktive Hochwasser-Panoramen auf www.panos.ch

Sicher ist Hochwasser für alle, die betroffen sind, eine kleinere oder grössere Katastrophe (v.a. wenn das Land, wie in Pakistan oder Australien, grossflächig überflutet wird), aber diese Panoramabilder zeigen: Im Hochsommer kann Hochwasser auch Spass machen.

Ich erinnere mich noch genau an den Tag, als 2005 der Vierwaldstättersee über die Ufer trat: Am Morgen kurvte ich mit dem Velo um die Wasserlachen auf dem Schweizerhofquai, am Abend war die Seebrücke — nomen est omen — nur noch über improvisierte Holzstege passierbar und für einige Tage herrschte in Luzern der Ausnahmezustand.

Montag, 31. Januar 2011

Provokation und/oder Kunst?

Für die Kunstaktion «No Exit Luzern» sperrte letzten Freitag der iranische Künstler Shahram Entekhabi den Rathaussteg in Luzern mit Absperrbändern. Das Erstaunliche daran: Kaum jemand regte sich darüber auf. Ist das Kunst oder nur Provokation oder gar beides?


Quelle: AB Gallery in Emmenbrücke. Mehr Bilder von "No Exit Luzern" gibt es auf der Bildstrecke der Neuen Luzerner Zeitung.

Die Aktion dauerte nur wenige Minuten — und jetzt prüft die Stadt eine Strafanzeige, weil die Kunstaktion nicht bewilligt war. Das heisst: Eine Provokation war es sicher, auch wenn sich nicht die Passanten, sondern nur die Behörden provozieren liessen. War es aber auch Kunst oder nur eine Werbeaktion für die Ausstellung des iranischen Künstlers in der AB Gallery in Emmenbrücke? Kunst ist ja nicht einfach das, was Künstlerinnen und Künstler machen. Und: Was macht ein Werk zu einem Kunstwerk?

Zu meinen subjektiven Kriterien gehören:
  1. Die Auseinandersetzung mit dem Publikum: Was im stillen Kämmerlein des Künstlers/der Künstlerin bleibt und nie den Publikumsreaktionen ausgesetzt wird, kann noch so gut sein, es ist in meinen Augen noch keine Kunst, weil die Interaktion mit dem Publikum fehlt. Fehlende Öffentlichkeit kann aber der Kunstaktion «No Exit Luzern» sicher nicht vorgeworfen werden.
  2. Kunst muss emotional berühren oder zumindest zum Denken anregen. «No Exit Luzern» hätte mich, wäre ich da gewesen, vor allem geärgert, weil die Absperrbänder mir im Weg gewesen wären. Aber ich hätte mich auch gefragt: Was will mir das sagen?Dieses sperrige Werk irritiert zwar, erklärt sich jedoch nicht selbst, es muss erklärt werden, was ich zumindest problematisch finde. «No Exit Luzern» lässt mich zwar nicht kalt, reisst mich aber auch nicht aus den Socken. Den PassantInnen ging es ähnlich: Sie liessen sich vom Absperrbandhindernisparcours nicht beirren.
  3. Schliesslich kann ein Werk auch einfach ästhetisch schön sein und als Augenweide oder Ohrenschmaus oder Gaumenfreude die Sinne erfreuen. Aber für mich ist «No Exit Luzern» bestenfalls ein Farbtupfer im winterfarbenen Stadtbild.
Fazit: «No Exit Luzern» ist beides, Provokation und Kunst, wenn auch als Werk erklärungsbedürftig.

NoExitLuzernDokumentation der Live-Performance auf der Homepage von Shahram Entekhabi — auf den Screenshot klicken, um das Video anzusehen!

Die Ausstellung „Rhizome“ von Shahram Entekhabi (Berlin & Tehran) in der AB Gallery in Emmenbrücke dauert noch bis 19. März 2011.