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Donnerstag, 29. September 2011

Emmi gut — alles gut?

Am 5. April habe ich über ein drohendes Kulturpolitisches Déja-vu geschrieben — kommt es jetzt zu einem Happy End?

Wie das Regionaljournal Zentralschweiz von Radio DRS berichtet, wurde an einem runden Tisch eine Einigung im Streit um das Bauprojekt vom Emmi erzielt. Die BetreiberInnen der betroffenen Kulturbetriebe Treibhaus und Theaterpavillon, die gegen das Bauprojekt rekurriert haben, haben sich mit dem Milchverarbeiter Emmi und der Stadt Luzern an einen Tisch gesetzt und gemeinsam mit einem Mediator Lösungen erarbeitet.

Die Butterzentrale spiegelt sich im 2008 eröffneten Theaterpavillon — gefährden die geplanten Wohnbauten den neuen Kulturbetrieb oder ist mit der erzielten Einigung alles wieder in Butter? (Bild: Theaterpavillon auf Google+)

Herausgekommen ist ein Dienstbarkeitsvertrag, der die künftigen BewohnerInnen der Emmi-Überbauung verpflichtet, die Lärmimmissionen der benachbarten Kulturbriebe zu dulden, so lange sie den gesetzlichen Rahmen nicht überschreiten. In einer zusätzlichen Vereinbarung verpflichtet sich Emmi zu baulichen Massnahmen, um die Immissionen minimieren, und die Stadt hilft den beiden Kulturbetrieben, Ruhe und Ordnung einzuhalten. Sollte es dennoch zu Lärmklagen kommen, müssten sich die KlägerInnen zuerst an eine Schlichtungsstelle, dann an ein gemeinsamen runden Tisch wenden. Im Gegenzug für diese Einigung haben die beiden Kulturbetriebe ihre Rekurse gegen das Emmi-Projekt zurückgezogen. Gestern bewilligte die Stadt das Bauprojekt.

Es herrscht also wieder Friede, Freude, Eierkuchen, aber ob alles wieder in Butter ist, wird sich in der Praxis erst noch zeigen müssen, denn Konflikte um nächtlichen Menschenverhaltenslärm sind vorprogrammiert.

Montag, 26. September 2011

Kaiserwetter und Nebelsee

Heute sei Kaiserwetter angesagt, sagte mein Vater heute früh. Kaiserwetter? Ein Wort, das wir in der republikanischen Schweiz nicht kennen. Mein Vater aber kennt es wahrscheinlich von meiner Mutter, die grösstenteils in Österreich und Deutschland aufwuchs.

Ich konnte mir zwar vorstellen, was Kaiserwetter ist, wusste aber nicht warum sonniges Wetter bei tiefblauem, wolkenlosem Himmel mitunter als Kaiserwetter bezeichnet wird. Auf die Sprünge half mir wieder einmal Wikipedia: Die Redensart gehe auf die Kaiserzeit zurück. Kaiser Wilhelm II. (1859 - 1941) sei bekannt dafür gewesen, dass er sich (fast) nur bei Sonnenschein an öffentlichen Anlässen zeigte. Der erste deutsche Medienstar war sich wohl bewusst, dass die begrenzten technischen Möglichkeiten der damaligen Foto- und Filmkameras es nur bei Sonnenschein und klarem Wetter erlaubten, gute Aufnahmen von ihm zu machen. Kaiserwetter herrscht also dann, wenn Kaiser Wilhelm in gutem Licht erscheint.

Am Morgen um 8 Uhr war jedoch noch kein Kaiserwetter, vielmehr war aus unserer Dachwohnung ein Mini-Nebelmeer zu beobachten, das man wohl besser als Nebelsee bezeichnen sollte und sich schon eine Stunde später aufgelöst hatte:

Dachpanorama vom 26. September 2011: oben bläulich, unten gräulich — zum Vergrössern aufs Bild klicken!

Sonntag, 18. September 2011

Kulturelle Zwischennutzungen als Pioniere der Stadtentwicklung

Kulturelle Zwischennutzungen können durchaus lukrativ sein — sie generieren nicht nur Mieterträge in planungsbedingten Übergangsphasen, sondern machen auch No-Go-Areas wieder salonfähig und werben für Areale, die einer neuen Nutzung zugeführt werden. Im Gegenzug entstehen kulturelle Freiräume, die zu einigermassen günstigen Mieten genutzt werden können.

Als Beispiel für die kulturelle Zwischennutzung eines Entwicklungsgebiets dient das Maag-Areal, das durch die S-Bahn-Station Zürich-Hardbrücke, den Autobahnzubringer Pfingstweidstrasse und die Westtangente (eine der wichtigsten Verkehrsachsen Zürichs) verkehrsmässig optimal erschlossen ist.

Die Galerie Peter Kilchmann, die schon in meinem letzten Beitrag über die Kunstgalerien als Indikatoren für Trend-Quartiere vorgekommen ist, gehört nach zwei Zwischennutzungen im Schoeller- und Löwenbräu-Areal zu den "definitiven" Nutzern des Maag-Areals.

Die Adresse der Galerie, Zahnradstrasse, weist auf das Produkt hin, das auf dem Maag-Areal ursprünglich hergestellt wurde: Zahnräder. 1913 gründete der Maschineningenieur Max Maag in der ehemaligen Autofabrik "Safir" eine Zahnradfabrik. 1928 begann die Maag Zahnräder AG mit der Herstellung von Pumpen. Schon bevor die Maag Pump Systems Textron AG 2004 ihre Produktion nach Oberglatt verlagerte, begannen Planung und kulturelle Zwischennutzung des Areals. Es zogen Architekturbüros, Grafikateliers, Internetbuden und so weiter ein. Ein grosser Teil des verkehrsmässig hervorragend erschlossenen Areals wird nach wie vor als Eventlocation genutzt: Hier produzierte das Schweizer Fernsehen "MusicStar", hier wurden mehrere Musicals gezeigt. Die Eventplattform ist derart erfolgreich, dass diese Nutzung zu einem Providurium werden könnte.


Das Foto aus der fahrenden S-Bahn zeigt den brandneuen Prime Tower auf dem Maag-Areal, davor den Containerturm, in dem der Zürcher Freitagtaschenshop untergebracht ist, in der Mitte die Rampe auf die Hardbrücke, rechts die Verwaltungszentrale der Zürcher Kantonalbank aus den 70er Jahren und dahinter den soeben eröffneten Mobimo-Tower.


Freitag geht, Ernst & Young kommt

Auf den Industriearealen, die in Zürich-West in Büro- und Luxuswohnzonen für den Finanzplatz umgewandelt werden, herrscht ein Kommen und Gehen: Wenn die Phase der Zwischennutzung zu Ende ist, ziehen die weniger zahlungskräftigen Nutzungen weg, es wird abgerissen und neu gebaut, allenfalls auch umgebaut, und dann ziehen die neuen lukrativeren Nutzungen ein. So auch auf dem Maag-Areal: Während die Beraterfirma Ernst & Young mit 1000 Arbeitsplätzen in den Neubau "Platform" eingezogen ist, zieht die Taschenproduktion der Freitag lab AG nach Zürich-Oerlikon — interessanterweise nicht in eine weitere Zwischennutzung, sondern in einen eigens erstellten Neubau NOERD, in dem die Freitag AG als Hauptmieter vieles mitbestimmen konnten.


So wurde die Industrie vom Maag-Areal wegverlagert: Die Maag Pump Systems nach Oberglatt, die Freitag lab AG nach Zürich-Oerlikon. Zur Karte auf Google Maps.


Im nächsten Beitrag:
Ein Kunstklotz als Werbung für Luxuswohnungen

Samstag, 17. September 2011

Kultur als Triebfeder der Stadtentwicklung

Dieser Eintrag wurde immer umfangreicher — und doch nie fertig. Damit er mich nicht noch länger blockiert, habe ich mich entschlossen, ihn häppchenweise zu publizieren. Wahrscheinlich steckt einfach zu viel Herzblut drin...

Kultur wird gezielt eingesetzt, um die Veränderung einer Stadt oder eines Quartiers voranzutreiben. Das war meine These für eine Führung durch Zürich-West, ein ehemaliges Industriequartier das sich in den letzten Jahren zünftig verändert hat.

Die Führung, die ich Ende Juli für eine Freundin mitorganisiert habe, begann in der Galerie Peter Kilchmann:

"Perennial Affairs", Einzelausstellung des Amerikaners Hernan Bas, 11.6. - 30.7.2011, Quelle: www.peterkilchmann.com

Galerien als Indikatoren für Trend-Quartiere

Galerien siedeln sich in den angesagten Vierteln einer Stadt. Vielleicht helfen sie sogar mit, ihren Standort aufzuwerten — ein Interesse daran hätten sie auf jeden Fall. In der Galerie Peter Kilchmann lag eine A5-Karte mit den Galerien im Kreis 5 auf. Und im Internet bin ich auf diese Karte gestossen:

Quelle: www.dzg.ch

Die Karte zeigt die Standorte von 63 Galerien, die sich im Verein Die Zürcher Galerien zusammengeschlossen haben. Und sie zeigt, dass Galerien sich tendenziell in Zürichs Cityerweiterungsgebieten gehäuft ansiedeln: türkis = das gentrifizierte, ehemalige Arbeiterquartier Zürich-Aussersihl, violett = die ehemalige Nobelvorstadt Zürich-Enge sowie die ehemalige Industriezone um den Bahnhof Giesshübel, grün = das Gebiet um den Bahnhof Stadelhofen, das Teile der Altstadt, des trendigen Seefelds und des reichen Zürichbergs umfasst, rot = ehemals industriell genutzte Gebiete im Kreis 5 / Zürich-West. Die Galerie Peter Kilchmann ist die 54 auf der Karte oben links.

Im nächsten Eintrag:
Kulturelle Zwischennutzungen als Pioniere der Stadtentwicklung

Dienstag, 16. August 2011

Eine Viehherde auf Kreuzfahrt

Der Lokaltermin am Wellenberg und auf der Bannalp war uns ein willkommener Anlass für eine schöne Wanderung von Nidwalden über die Sinsgäuer Schonegg in den Kanton Uri und für einige Überlegungen zur Alpwirtschaft.

Hier die Route unserer Wanderung von der Chrüzhütte im Kanton Nidwalden über die Sinsgäuer Schonegg nach Gitschenen im Kanton Uri:

Zum Vergrössern auf die Karte klicken! Quelle der Karte: www.top-of-uri.ch. Auf dieser Website, die sich "Bergportal Uri" nennt, gibt es zahlreiche Informationen, Tipps für Ausflüge und Wandervorschläge mit Karten und Routenbeschrieben.

1 Geplante Sondierbohrung der NAGRA
Vgl. Wandert in der Schweiz solang es sie noch gibt

2 Stausee auf der Bannalp
Vgl. Der Kampf um Bannalp

3 Start bei der Chrüzhütte

Nach der Fahrt mit der Zentralbahn nach Wolfenschiessen und dem Postauto nach Oberrickenbach haben wir die Luftseilbahn zur Chrüzhütte genommen und uns einen stotzigen Aufstieg von 800 Höhenmetern erspart. Oben angekommen, drängte Frau Frogg zum Aufbruch, doch da war noch dieser Berg mit dieser eigenartigen Form. Hatte der Riese Timpetu vor Urzeiten wieder einmal im Sandkasten gespielt?

Der Weg führte uns zuerst hangparallel, dann leicht absteigend in das Tal unterhalb der Lücke, über die wir ins Urnerland wandern wollten — Frau Frogg riskiert schon einmal einen ersten Blick:



4 Alpkäsedegustation

Nach einer Stunde erreichten wir die Haghütte, wo wir schon richtig Durst hatten und den Alpkäse degustierten, den wir kaufen wollten. Die Älplerin erklärte uns, warum sie ihren Käse direkt vermarktet: Der Verkauf über den Detailhandel würde sich nicht rentieren, zu viel vom Erlös bleibt beim Zwischenhändler. Und sie ärgert sich über die Vorschrift, dass sie auf der Alp pro Kuh nur ein Schwein haben dürfe. Mit der Schotte, die bei der Käseproduktion anfällt, könnte sie mehr Schweine füttern...

5 Keine Alp ohne Bähnli

Alpwirtschaft ist ohne die zahlreichen Seilbahnen nicht denkbar — viele Alpen sind ohne Seilbahnerschliessung nur mühsam zu erreichen. Deshalb ist die Seilbahndichte im Kanton Nidwalden gross. Auf dem Bild die Umladestation von der personentauglichen Bahn vom Tal auf die Materialbahn zur Alp.

Von der Haghütte führt der Wanderweg über mehrere Alpen auf die Sinsgäuer Schonegg — reine Wanderzeit etwa eineinhalb Stunden. Doch nur nur wenig unterhalb der Passhöhe erblickten wir dieses Vieh mit diesen furchteinflössenden Hörnern:



Vermutlich war es gutmütiger als wir dachten, dennoch machten wir einen grossen Bogen. Wenig später waren wir auf dem Pass.

6 Passpanorama auf der Sinsgäuer Schonegg

Natürlich darf an dieser Stelle das obligate Panorama nicht fehlen:

Zum Vergrössern aufs Bild klicken! Zu sehen sind von links nach rechts: Der Chaiserstuel, der Blick zurück nach Nidwalden, der Brisen und der Hoh Brisen, der Oberbauenstock, das Sulztal, diverse Urner Gipfel und ganz hinten der Tödi.


7 Durchs Sulztal abwärts

Von der Sinsgäuer Schonegg geht es zuerst relativ steil abwärts, dann sanfter das Sulztal auswärts. Sobald es flacher wird, werden die Alpweiden bewirtschaftet:


Blick vom Sulztal zurück zur Sinsgäuer Schonegg

Immer wieder schön ist die Farbenpracht der Alpenblumen am Wegrand.

Zum Vergrössern aufs Bild klicken! Blick von der Sulztaler Alp auf den Oberalper Grat

Von den Felsen am Horizont der rechten Talseite war ich so fasziniert, dass ich ein Vertirama machen musste...

8 Unser Ziel: Gitschenen

Von Sulztaler Alp ist es noch etwa eine halbe Stunde bis nach Gitschenen, wo es wieder ganz anders aussieht:



Nach etwas über 4 Stunden reiner Wanderzeit erreichten wir die Alp Gitschenen. Hier führen zwei Frauen ein schönes Gast- und Seminarhaus, vgl. www.gitschenen.ch, wo wir unseren Durst löschten, bevor wir mit der Seilbahn ins Tal fahren und unten in St. Jakob das Postauto via Isenthal, Isleten und Flüelen nach Altdorf nahmen.

9 Die Krienser kaufen eine Urner Alp und bringen das Vieh im Nauen



In der Seilbahn kamen wir mit zwei Einheimischen ins Gespräch, die uns eine unglaubliche Geschichte erzählten: Die Alp da unter uns gehöre den Kriensern, sagten sie. Da wurden wir hellhörig, denn Kriens ist ein Vorort von Luzern. "Wie kommt es, dass die Krienser im Kanton Uri eine Alp haben?" fragten wir. In den 1920er Jahren sei die Alp zum Verkauf ausgeschrieben worden, sagten sie, und dann hätte die Krienser Korporation halt mehr geboten als ihre Urner Mitbieter. Früher hätten die Krienser ihr Vieh mit dem Nauen über den Vierwaldstättersee nach Isleten gebracht und von dort auf die Alp getrieben, heutzutage brächten sie das Vieh mit dem Viehtransporter.

Trotz ausgiebiger Recherche fand ich auf dem Internet leider keinen Beleg für diese erstaunliche Geschichte, aber ich fand dieses Bild:


Viehtransport auf den Nauen "Republik" und "Schwalmis".
Quelle: personalblog.kaywa.com

Montag, 15. August 2011

Der Kampf um Bannalp

Dass das Endlager für radioaktive Abfälle im Wellenberg nicht gegen den Widerstand der NidwaldnerInnen realisiert werden kann, hätte die Regierung eigentlich wissen müssen, schickten doch die Nidwaldner im Kampf für die Selbstversorgung mit eigener Elektrizität und gegen die Luzerner Strombarone 1934 ihre Regierung in die Wüste.


Das Bild von Anthony August auf Panoramio zeigt den Bannalpsee, der von einem Lehm-Damm gestaut wird, der 1937 trotz vielen juristischen und finanziellen Schwierigkeiten fertig gestellt wurde.


Auch diese Geschichte mit ungewohnten Vorzeichen ist in Jürg Frischknechts Wanderbuch Wandert in der Schweiz solang es sie noch gibt nachzulesen: Von 1930 bis 1934 kämpfte eine wachsende Nidwaldner Volksbewegung für ein eigenes Kraftwerk auf der Bannalp. Auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzungen kam es an der Landsgemeinde von 1934 zum Eklat: Die Nidwaldner wählten gleich neun von elf Regierungsräten ab, weil sie sich gegen das Bannalp-Projekt stemmten, ersetzten sie mit Bannalp-Freunden und verhalfen dem eigenen Elektrizitätswerk mit einer Zweidrittelsmehrheit zum Durchbruch. Das war der Neuen Zürcher Zeitung dann doch zu viel Demokratie. Sie schrieb, dieser denkwürdige Aprilsonntag habe bewiesen, dass sich die Landsgemeinde "zur Beurteilung wirtschaftlicher Fragen unbedingt überlebt" habe.

Frischknechts Quelle ist eine 1975 erschienene Monographie von Werner Ettlin mit dem Titel "Der Kampf um Bannalp".

Sonntag, 14. August 2011

Wandert in der Schweiz solang es sie noch gibt

So heisst ein Wanderbuch für 35 Lokaltermine von Jürg Frischknecht, das 1987 im Limmat Verlag erschien. Als thematisches Wanderbuch war es Vorbild für zahlreiche Wanderbücher, die heute allein für die Schweiz mehr als ein Laufmeter der entsprechenden Verkaufsregale füllen. Obwohl schon bald 25 Jahre alt, bietet es uns hin und wieder immer noch einen Anlass für eine schöne Wanderung.

Die Idee ist simpel, aber gut: Man wandert durch bedrohte Natur- und Kulturlandschaften, liest über die geplanten Projekte (Stauseen, Atom-Endlager, Autobahnen, Skizirkusse etc.), stellt sich die Eingriffe in die Landschaft vor und hilft allenfalls mit, die geplanten Projekte zu verhindern. Ein Teil der umstrittenen Projekte wurde in der Zwischenzeit realisiert, ein weiterer Teil ist am Widerstand gescheitert und ein letzter Teil ist noch immer in Diskussion und noch nicht definitiv vom Tisch. Bei diesen Projekten ist es interessant, die Diskussion von damals mit dem heutigen Stand zu vergleichen.

Einer der Lokaltermine in Frischknechts Wanderbuch beschäftigt sich mit dem Wellenberg — für die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (NAGRA) lange Zeit der favorisierte Standort für ein geologisches Tiefenlager für schwach- und mittelaktive Abfälle.

Das Bild zeigt im Vordergrund den Wellenberg, in welchem der radioaktive Güsel entsorgt werden soll, und im Hintergrund die Lücke, über die wir ins Urnerland wanderten. Quelle des Bilds: www.kernenergie.ch — eine Informationsplattform, die von der Atomlobby der drei grossen schweizerischen Stromunternehmen betrieben wird. Auf dieser Seite beschreibt swissnuclear relativ nüchtern, wie es dazu kam, dass die Genossenschaft für nukleare Entsorgung Wellenberg das Feld räumen musste.

Unser Lokaltermin fand rund 24 Jahre nach Erscheinen von Jürg Frischknechts Wanderbuch statt. Ins Tal, das den radioaktiven Güsel nicht haben will, gelangt man mit der Zentralbahn, die von Luzern über Stans nach Engelberg fährt. Für unseren Lokaltermin steigt man in Wolfenschiessen aufs Postauto nach Oberrickenbach um. Hinter dem Dorf Oberrickenbach überquert das Postauto den Haldibach und gleich unterhalb der Brücke wäre eine der Sondierbohrung der NAGRA durchgeführt worden, hätte das nicht eine Volksbewegung mit dem Slogan "Atom hiä niä" (nidwalnerisch für: Atom hier nie) verhindert.


Auf dem Foto, das ich bei der Bergstation der Luftseilbahn Chrüzhütte aufgenommen habe, zeigt der rote Pfeil die Stelle, wo die NAGRA ihre Sondierbohrung geplant hatte.


Jürg Frischknecht schreibt, dass die Nidwaldner Regierung 1986 die NAGRA regelrecht willkommen geheissen hat: "Wo das politische Klima günstig ist, stimmt auch die Geologie", auch wenn im benachbarten Dallenwil 1964 ein Erdbeben die Dorfkirche beschädigte...

Die Nidwaldner Regierung hat allerdings die Rechnung ohne das Volk gemacht: Das Demokratische Nidwalden initiierte das überparteiliche Komitee für eine Mitsprache des Nidwaldner Volks bei Atomanlagen (MNA). Die MNA-Initiative stiess bei Regierung und Parlament auf Ablehnung, nicht aber beim Volk, das sie an der Landsgemeinde, die es 1987 noch gab, mit grossem Mehr guthiess. Seither sagen die Nidwaldner in schöner Regelmässigkeit Nein zu den Endlagerplänen der NAGRA: 1995 zum ersten Mal, 2002 verweigerten sie der GNW die Konzession für den Bau eines Sondierstollens und diesen Februar sprachen sie sich mit 11'602 zu 2948 Stimmen klar gegen ein mögliches Tiefenlager im eigenen Kanton aus.

Die Chronologie von Radio DRS zur Suche nach einem Endlager zeigt: Die NAGRA, die gemäss Frischknecht zwischen 1995 und 2000 ein Endlager im Wellenberg (oder im Oberbauenstock) in Betrieb nehmen wollte, ist bestenfalls auf Feld 2 angelangt, aber von ihrem Ziel noch weit entfernt. Jetzt hofft sie auf die Inbetriebnahme eines Endlagers zwischen 2030 und 2040.

Mit dem Widerstand gegen den Wellenberg konnte sich das links-grüne Demokratische Nidwalden, das sich 2005 den Grünen angeschlossen hat, politisch etablieren: Es ist seit 1986 im Landrat vertreten und verfügte 1990 über 8 von 60 Sitzen. Zur Zeit haben die Grünen als Nachfolger des DN noch 5 Sitze. 1998 bis 2010 sass mit Leo Odermatt sogar ein DN-Vertreter in der Regierung.

Warum die Nidwaldner Regierung eigentlich hätte wissen müssen, dass gegen den Widerstand aus dem Nidwaldner Volk nicht anzukommen ist, steht in meinem nächsten Eintrag und der eigentliche Bericht über unsere Wanderung, die zu diesem Lokaltermin gehört, folgt in meinem übernächsten Eintrag.

Samstag, 6. August 2011

Bye, Bye, Türkei

Mehr als ein Monat nach unserer Rückkehr aus der Südtürkei kommt hier der letzte Eintrag meines Reiseberichts. Rückblickend haben wir in unseren zwei Ferienwochen unglaublich viel erlebt. Deshalb sind's auch so viele Einträge geworden...

Unsere Reiseroute im Überblick:
Unsere Reiseroute in der Südtürkei — zur interaktiven Karte aufs Bild klicken!

1 Antalya
Schon der Hinflug war ein Erlebnis: Wir wurden Vom eigenen Kondensstreifen überholt, aber Antalya ist eine Reise wert:
Der Muezzin und die Hunde beeindruckten Frau Frogg, die sogar im archäologischen Museum Rock'n'Roll für die Augen erlebte!

2 Çıralı
Das Paradies hat einen Namen: Çıralı. Ein bisschen verschlafen ist es schon, aber der Sommerdrink in Downtown Çıralı war immer wieder erfrischend — da waren die Sprachfallen kein Hindernis, denn Türkisch ist schwierig, deutsch aber auch. Und am Abend gab es Zackenbarsch in drei Phasen und aus der Musikanlage des Fischrestaurants erklang die türkische Version des Gigolo auf Weltreise. Wenn wir nicht gerade lasen oder unsere Füsse fotografierten, weil wir eine Synapse zwischen Çıralı und Wien hatten, kümmerten wir uns um Legendäre Schildkröten am Strand von Çıralı, fühlten uns wie Indiana Jones in Olympos oder machten Ausflüge an den Ort des Showdowns von Bellerophon vs. Chimaira oder auf den...

3 Tahtalı Dağı
Mit Garaventa auf den Sitz der Götter zu fahren, war für türkische Verhältnisse recht teuer, doch Der demokratisierte Blick ins Rund hat sich gelohnt. Auf der Fahrt nach Üçağız, unserem nächsten Etappenort, machten wir Halt in...

4 Demre / Myra
Die Stadt von Noel Baba, wie der Samichlaus auf türkisch heisst, war nicht nur wegen Noel Baba und den osteuropäischen TouristInnen interessant, sondern auch wegen der Felsengräber und eines recht gut erhaltenen antiken Theaters.

5 Üçağız
In Üçağız verfolgten wir den Krieg der Köche und mussten dabei aufpassen, dass wir nicht zwischen die Fronten gerieten. Wir charterten ein Boot und machten uns auf Schatzsuche: Die versunkene Stadt war unser Ziel. Unterwegs verkaufte die taffe Geschäftsfrau Frau Frogg von Boot zu Boot ein Halstuch. Mir drohte der Lesestoff auszugehen, denn: Ferienzeit ist Lesezeit. Und dann war da noch die Verhexte Tastatur im Internetcafé. Die Fahrt nach...

6 Kaş
...war weiter als erwartet und abenteuerlich: Der rasende Bäcker fuhr wie ein Henker, dennoch erfuhren wir unterwegs mit ihm, dass auch Die Türkei — mal anders sein kann. Aber das Küstenstädtchen Kaş ist nett und hat mehr als Virtuelles Badewetter zu bieten. Ein Einkauf in der Migros von Kaş animierte mich zu einem Eintrag über die Migros Türk — eine Erfolgsgeschichte sowie die Parallelen und Unterschiede zum helvetischen Vorbild. Auf der vierstündigen Rückfahrt nach Antalya geriet unser Bus vor der 5M-Migros am Stadtrand von Antalya in den Stau und ich schoss aus dem Fenster ein Bild, das den Migros-Beitrag illustriert.


Mit diesem Bild aus dem Restaurant über dem Hafen von Antalya und diesem Blick auf wasserspeiende Feuerlöschboote und das Taurusgebirge sage ich: Bye, Bye, Türkei — wir kommen wieder!