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Leben mit dem Hochwasser

In meinem letzten Eintrag vor unseren Ferien Gummistiefel oder Badehosen? war ich noch optimistisch und hoffte, dass die Fluten abgeflossen seien bis wir in die sächsische Schweiz kämen. Waren sie aber noch nicht ganz — die Pegel waren zwar am Sinken und die Wassermassen hatten sich elbabwärts verlagert, dennoch hätten wir ein-, zweimal Gummistiefel gut gebrauchen können. Das grosse Aufräumen hatte erst begonnen.

Nachdem uns unsere GastgeberInnen klar gemacht hatten, dass nur flussnahe Zonen betroffen waren, in vielen Teilen von Dresden und der sächsischen Schweiz aber nur wenig oder gar keine Auswirkungen des Jahrhunderthochwassers zu spüren seien, haben wir uns entschlossen, unsere Ferienreise trotzdem anzutreten. Wir wollten weder Katastrophentouristen sein, noch Feriengäste, die wegen kleineren Schwierigkeiten gleich ihre Ferien stornieren. Allerdings waren die hochwasserbedingten Schwierigkeiten hin und wieder doch grösser, als wir uns das vorgestellt hatten. Wir hatten uns auf einiges gefasst gemacht, dennoch war der Anblick der von braunen Fluten angerichteten Schäden bisweilen erschütternd.

Die Hochwassermarken am Rathaus der Stadt Wehlen zeigen, dass es verheerende Hochwasser an der Elbe immer wieder gab. Allerdings muss die Häufung zu denken geben — allein in diesem Jahrhundert sind es schon drei Markierungen: 2002, 2006 und 2013 (fehlt noch, kommt aber möglicherweise dahin, wo das geschosshohe Holzbrett die Farbe wechselt).

Für die direkt Betroffenen ist Hochwasser immer eine kleine oder grössere Katastrophe, mein Eintrag Hochwasserpanoramen zeigt aber, dass Hochwasser im Hochsommer den indirekt Betroffenen auch Spass machen kann, vorausgesetzt, das Wasser stammt aus einem See und ist deshalb klar. Wenn sich aber eine braune Brühe durchs Tal wälzt, die eine stinkende Schlammschicht zurücklässt, die beim Trocknen betonhart wird und nur noch mühsam mit dem Hochdruckreiniger zu entfernen ist, dann ist das überhaupt nicht mehr lustig. Und wenn es in elf Jahren zum dritten Mal passiert, ist es auch verständlich, wenn Leute aufgeben und wegziehen.

Wir bewunderten deshalb die Tapferkeit vieler Betroffener, die mit dem stoischem Gleichmut ihr zerstörtes Mobiliar auf die Strasse tragen, die Keller leerpumpen, den Dreck wegspritzen und mit der Hilfe von Freunden einen Neustart wagen — mit dem Ziel, möglichst rasch zur Normalität zurückzukehren. Improvisieren ist angesagt: Im Journalcafé in der Meissner Altstadt beispielsweise wurde das Bad von Zimmer 10 des zugehörigen Hotels kurzerhand zur Toilette umfunktioniert, weil die Gäste-WCs im Untergeschoss noch nicht benutzbar waren.

An vielen Orten hat man aus den Erfahrungen vergangener Hochwasser gelernt und konnte mit Sandsäcken und vorbereiteten Spundwänden verhindern, dass das Wasser eindringt. Nach dem letzten Hochwasser haben Besitzer von flutgefährdeten Lokalen im Erdgeschoss ihre Lokale mit geeigneten Materialien hochwassertauglich gemacht, so dass sie diesmal nur den Dreck rausspritzen und wieder einrichten mussten. Da im Gegensatz zum Jahrhunderthochwasser von 2002 das Wasser der Elbe diesmal langsamer stieg, waren die Leute gewarnt und konnten ihre Erdgeschosse rechtzeitig räumen. Dennoch sind die Schäden immens und gehen in die Milliarden.

Grossartig war auch die Solidarität und Hilfsbereitschaft vieler Leute angesichts der Flutkatastrophe. Doch kaum war das Hochwasser abgeflossen, begannen die Diskussionen: Wer bezahlt die Schäden? Wie sollen die Hochwassergelder verteilt werden? Wer ist schuld, dass geplante Massnahmen, wie die Erhöhung von Dämmen nicht rechtzeitig umgesetzt werden konnten? Interessant fand ich auch einen Artikel in der Sächsischen Zeitung, der aufzeigte, dass von rund fünfzig geplanten Hochwasserschutzmassnahmen vor allem technische Massnahmen wie Dämme und Deiche realisiert wurden, während Massnahmen zum Rückhalt und Verteilung von Wassermassen, wie die Renaturierung von Auenlandschaften und die Einrichtung von Hochwasserpoldern auf die lange Bank geschoben wurden. Es ist den Sachsen zu wünschen, dass sie noch besser lernen, mit wiederkehrenden katastrophalen Hochwasserereignissen umzugehen.

Übrigens: Obwohl es zwei Wochen lang praktisch nicht regnete und das Thermometer zwei-, dreimal auf über 30 Grad kletterte, habe ich die Badehosen nie gebraucht...